Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman
einmal durch ihn etwas Spaß hatte. Kurz nachdem mir der Preis verliehen worden war, bekamen Gweneth und ich eine Einladung von der brasilianischen Regierung, als Ehrengäste an den Karnevalsfeiern in Rio teilzunehmen. Wir nahmen gerne an und verbrachten eine herrliche Zeit. Wir gingen von einem Tanz zum anderen und sahen uns den großen Umzug an, bei dem die berühmten Sambabands mitgingen und ihre wunderbare rhythmische Musik spielten. Photographen von Zeitungen und Illustrierten machten in einem fort Aufnahmen - »Der Professor aus Amerika tanzt mit Miss Brasilien.«
Es machte Spaß, eine »Berühmtheit« zu sein, aber wir waren offenbar die falschen Berühmtheiten. Niemand war in jenem Jahr von den Ehrengästen besonders begeistert. Später fand ich heraus, wie unsere Einladung zustande gekommen war. Eigentlich hatte Gina Lollobrigida der Ehrengast sein sollen, aber kurz vor dem Karneval sagte sie ab. Der Minister für Fremdenverkehr, der für den Ablauf des Karnevals verantwortlich war, hatte einige Freunde im Physikalischen Forschungszentrum, die wußten, daß ich in einer Sambaband gespielt hatte, und da ich gerade den Nobelpreis bekommen hatte, war ich kurz in den Nachrichten erwähnt worden. In einem Augenblick der Panik verfielen der Minister und seine Freunde auf die verrückte Idee, Gina Lollobrigida durch den Physikprofessor zu ersetzen!
Es versteht sich von selbst, daß der Minister bei diesem Karneval seine Aufgabe so schlecht erfüllte, daß er seinen Posten in der Regierung verlor.
Den Physikern Kultur nahebringen
Nina Byers, eine Professorin an der University of California in Los Angeles, übernahm irgendwann Anfang der siebziger Jahre die Leitung des Physik-Kolloquiums. Normalerweise kommen zu den Kolloquien Physiker von anderen Universitäten, um über rein fachliche Themen zu sprechen. Doch sie kam, zum Teil infolge der damals herrschenden Stimmung, auf die Idee, die Physiker hätten mehr Kultur nötig, und sie meinte, sie solle etwas in dieser Richtung arrangieren: Da Los Angeles in der Nähe von Mexiko liegt, wollte sie ein Kolloquium über die Mathematik und Astronomie der Mayas - des alten mexikanischen Kulturvolkes - veranstalten.
(Man erinnere sich an meine Einstellung zur Kultur: So etwas hätte mich wahnsinnig gemacht, wenn es an meiner Universität stattgefunden hätte!)
Sie hielt nach einem Professor Ausschau, der über das Thema einen Vortrag halten sollte, und konnte an der UCLA niemand finden, der ein wirklicher Experte war. Sie rief verschiedene andere Universitäten an, fand aber immer noch niemand.
Dann fiel ihr Professor Otto Neugebauer von der Brown University ein, der bedeutende Fachmann auf dem Gebiet der babylonischen Mathematik. (2) Sie rief ihn auf Rhode Island an und fragte ihn, ob er jemanden an der Westküste kenne, der über die Mathematik und Astronomie der Mayas einen Vortrag halten könne.
»Ja«, sagte er. »Ich kenne jemanden. Er ist zwar nicht Anthropologe oder Historiker von Beruf, sondern ein Amateur. Aber er kennt sich bestimmt gut darin aus. Sein Name ist Richard Feynman.«
Das haute sie beinahe um! Da versucht sie den Physikern ein bißchen Kultur nahezubringen, und dann stellt sich heraus, daß sie dazu einen Physiker braucht!
Ich wußte nur deshalb etwas über die Mathematik der Mayas, weil die Flitterwochen, die ich mit meiner zweiten Frau, Mary Lou, in Mexiko verbrachte, eine so große Strapaze für mich waren. Sie interessierte sich sehr für Kunstgeschichte, vor allem für die von Mexiko. So fuhren wir also in den Flitterwochen nach Mexiko und kletterten Pyramiden rauf und Pyramiden runter; ich mußte sie überallhin begleiten. Sie zeigte mir viele interessante Dinge, zum Beispiel gewisse Beziehungen in der Formgebung verschiedener Figuren, aber nach ein paar Tagen (und Nächten) des Hinauf- und Hinabsteigens in feuchtheißen Regenwäldern war ich erschöpft.
In einer kleinen guatemaltekischen Stadt am Ende der Welt gingen wir in ein Museum, in dem in einem Schaukasten ein Manuskript mit seltsamen Symbolen, Bildern, Strichen und Punkten ausgestellt war. Es war eine (von jemand namens Villacorta hergestellte) Kopie des Codex Dresden, eines alten Maya-Buches, das in einem Museum in Dresden aufgetaucht war. Ich wußte, daß die Striche und Punkte Zahlen bedeuteten. Mein Vater hatte mich als Kind auf die New Yorker Weltausstellung mitgenommen, und dort war die Rekonstruktion eines Maya-Tempels zu sehen gewesen. Ich erinnerte mich, daß er mir
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