Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman
über Psychologie reden; wir können über das internationale Geldwesen reden - über den Goldtransfer können wir nicht reden, denn den hat man verstanden - es sind also Themen, über die niemand etwas weiß, über die wir uns alle unterhalten können!«
Ich weiß nicht, wie sie's machen. Irgendwie können sie auf ihrem Gesicht Eis entstehen lassen, und das tat sie! Sie wandte sich ab, um mit jemand anderem zu sprechen.
Nach einer Weile spürte ich, daß ich völlig von dem Gespräch abgeschnitten war, und so stand ich auf und wollte weggehen. Der japanische Botschafter, der auch an dem Tisch saß, sprang auf und ging mir nach. »Professor Feynman«, sagte er, »es gibt etwas im Zusammenhang mit Diplomatie, das ich Ihnen gerne erzählen möchte.«
Er erzählte eine lange Geschichte über einen jungen Mann in Japan, der an die Universität geht und Außenpolitik studiert, weil er glaubt, auf diese Weise etwas für sein Land tun zu können. Im zweiten Jahr plagen ihn leichte Zweifel an dem, was er lernt. Nach dem Studium tritt er seinen ersten Posten in einer Botschaft an und hat noch größere Zweifel, ob er überhaupt etwas von Diplomatie versteht, bis ihm schließlich klar wird, daß niemand etwas von Außenpolitik versteht. Damit hat er den Punkt erreicht, an dem er Botschafter werden kann! »Also, Professor Feynman«, sagte er, »wenn Sie das nächste Mal Beispiele für Dinge geben, über die jeder redet und von denen keiner was versteht, erwähnen Sie bitte auch die Außenpolitik!«
Er war ein sehr interessanter Mann, und wir kamen ins Gespräch. Ich hatte mich immer dafür interessiert, woran es liegt, daß sich die verschiedenen Länder und Völker unterschiedlich entwickeln. Ich sagte zu dem Botschafter, es gebe etwas, das mir stets als bemerkenswertes Phänomen erschienen sei: wie Japan sich so rasch zu einem so modernen und bedeutenden Land habe entwickeln können. »Was ist das für eine besondere Eigenschaft des japanischen Volkes, die den Japanern das ermöglicht hat?« fragte ich.
Der Botschafter antwortete in einer Weise, die mir gefiel: »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Ich habe wohl eine Vermutung, aber ich weiß nicht, ob sie zutrifft. Die Leute in Japan glaubten, es gebe nur eine Möglichkeit weiterzukommen: nämlich dafür zu sorgen, daß ihre Kinder eine bessere Ausbildung erhielten als sie selbst; daß es für sie sehr wichtig sei, ihre bäuerliche Umgebung zu verlassen, um sich Bildung zu erwerben. Man verwendete also in den Familien große Energie darauf, die Kinder zu ermutigen, sich in der Schule Mühe zu geben und vorwärts zu kommen. Wegen dieser Neigung, beständig zu lernen, konnten sich neue Ideen von außen durch das Bildungssystem sehr leicht aus breiten. Das ist vielleicht einer der Gründe, warum Japan so rasch vorangekommen ist.«
Alles in allem habe ich den Besuch in Schweden schließlich doch noch genossen. Statt sofort nach Hause zurückzu kehren, fuhr ich zum CERN, zum europäischen Zentrum für Teilchen-Forschung, um dort einen Vortrag zu halten. Ich erschien vor meinen Kollegen in dem Anzug, den ich beim Königlichen Diner getragen hatte - ich hatte noch nie zuvor einen Vortrag im Anzug gehalten -, und begann mit den Worten: »Wissen Sie, es ist merkwürdig; in Schweden haben wir zusammengesessen und uns darüber unterhal ten, ob sich dadurch, daß wir den Nobelpreis gewonnen haben, irgend etwas verändern würde, und tatsächlich, ich glaube, eine Veränderung sehe ich bereits: Dieser Anzug gefällt mir recht gut.«
Alle rufen »Buuuuuh!«, und Weisskopf springt auf, reißt sich die Jacke vom Leib und sagt: »Wir werden bei Vorträgen keine Anzüge tragen!«
Ich zog meine Jacke aus, lockerte die Krawatte und sagte: »Als ich Schweden hinter mich gebracht hatte, fing ich an, an diesem Kram Gefallen zu finden , aber da ich jetzt wieder in den Alltag zurückgekehrt bin, ist alles wieder im Lot Danke, daß Ihr mir das beigebogen habt!« Sie wollten nicht, daß ich mich veränderte. Es ging also sehr schnell: am CERN wurde alles rückgängig gemacht, was man in Schweden mit mir angestellt hatte.
Es ist ganz schön, daß ich Geld bekam - ich konnte mir ein Haus am Meer kaufen -, aber ich glaube, alles in allem wäre es viel besser gewesen, wenn ich den Preis nicht bekommen hätte, denn man kann nicht erwarten, in der Öffentlichkeit je wieder unvoreingenommen behandelt zu werden.
In gewisser Weise war der Nobelpreis schon eine unangenehme Sache, obwohl ich wenigstens
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