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Sie fielen vom Himmel

Sie fielen vom Himmel

Titel: Sie fielen vom Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Vergleich!«
    Jürgen versuchte ein Lächeln, aber die Armwunde brannte und jagte Schmerzensschauer durch seinen zitternden Körper. »Du proklamierst das Recht der Gewalt! Den Macchiavellismus auf Kosten von Millionen Toten! Du bist kein Offizier mehr, sondern ein Henker!«
    Major von der Breyle griff in die Tasche. Er holte drei Verbandspäckchen hervor und reichte sie seinem Sohn hin.
    »Verbinde dich.«
    »Wozu?« Jürgen sah seinen Vater groß an. »Wozu der Luxus, Vater? Du wirst gleich deine Pflicht tun und mich standrechtlich erschießen. Kraft deiner Vollmacht! Im Bewußtsein, die Ehre des deutschen Offiziers gerettet zu haben und auch hier deine Pflicht getan zu haben. Gegen deinen Sohn! Aber das spielt keine Rolle, denn es ist Krieg, und im Krieg gelten keine billigen Moralitäten! Im Krieg ist auch der Sohn ein Gegner, wenn er auf der anderen Seite steht!« Er nahm die drei Verbandspäckchen – nicht, weil er sie brauchen wollte, sondern weil es ihm unerträglich war, die hingestreckte, zitternde Hand seines Vaters länger zu sehen. »Hat man dir nichts versprochen, wenn du mich fängst, Vater?!«
    Von der Breyle ballte die Faust. »Das Deutsche Kreuz in Gold und die Beförderung zum Oberstleutnant.«
    »Einen Stern mehr!« Jürgen richtete sich auf. Er stand gegen den Hang gelehnt wie gegen eine Mauer, vor der man die zum Tode Verurteilten stellt, ehe das Exekutionskommando aufmarschiert. »Bitte!« sagte er laut. »Hole dir deine Beförderung, Vater! Denke daran, daß Mutter – sollte dir etwas zustoßen – dann auch mehr Pension erhält!«
    In von der Breyle zerriß etwas. Er spürte es ganz deutlich. Er hob die Maschinenpistole. Mit dem ausklappbaren Metallkolben schlug er Jürgen über den Kopf … die scharfe Unterkante riß seine Stirn auf … Blut rann ihm über das Gesicht, die Ränder der aufgeplatzten Haut wölbten sich. Der Geschlagene schwankte und hielt sich an den Felsen fest.
    »Du erbärmlicher Lump!« schrie von der Breyle. »Du wagst es, so von Mutter zu reden?! Du wagst es, ihren Namen noch in den Mund zu nehmen?«
    Er legte die Maschinenpistole an und ging zurück. Langsam stieg er den Hang hinab zu seinem Kübelwagen, der unter einer Schneedecke auf der schmalen Straße stand. »Geh!« brüllte er. »Lauf … Ich gebe dir die Chance, zu flüchten! Lauf um dein Leben … Ich werde auf dich schießen, ich werde meine Pflicht tun, vor Gott und vor deiner Mutter! Entkommst du, ist es eine kurze Galgenfrist, bis dich ein anderer erwischt – fällst du, so darfst du mit dem Bewußtsein sterben, daß du das Leben deines Vaters und deiner Mutter in den Dreck getreten hast!«
    Er wandte sich um und stieg den Hang hinab. An seinem eingeschneiten Wagen wartete er einen Augenblick, ehe er sich umdrehte und die Waffe hob.
    An der gleichen Stelle, an der er ihn verließ, stand Jürgen und starrte hinab auf den breiten Mann mit der schwarz glänzenden Pistole in der Hand. Das graue Haar wehte im Eiswind … die Beine hatte er gespreizt in den Schnee gestemmt und lehnte den Rücken an den Kühler des Wagens, als habe er Angst, umzufallen.
    »Vater!« rief er hell. Er streckte die unverwundete Hand nach ihm aus.
    Von der Breyle schloß die Augen. »Lauf!« schrie er zurück. »Lauf, Jürgen …!« Er riß die Maschinenpistole hoch … das kalte Metall an seinem Kinn durchfuhr ihn wie ein Schlag. Es brannte an seiner Wange, es fraß sich in seinen Kopf hinein und erfüllte ihn mit einem Brand, der über den ganzen Körper raste. Jetzt schieße ich, ich schieße auf meinen Sohn, Elise … Du wirst es nie begreifen, du sollst es auch nicht begreifen. Du bist eine Mutter. Für eine Mutter ist alles unbegreiflich, was gegen ihr Kind geschieht. Verzeih mir, Elise … nur darum bitte ich dich. Verzeih … er ist ja auch mein Sohn, mein großer, schöner Junge, mein Kronprinz …
    Er setzte den Finger auf den Abzug, er fühlte den Druckpunkt und verharrte.
    Als er die Augen öffnete, sah er die dunkle Gestalt den Hang hinaufklettern … müde, erschöpft, sich schleppend. Der zerschossene Arm hing wie leblos an seiner Seite herunter … das zerfetzte Bein schleifte er nach, zog es über die Steine und warf es fast um die Büsche herum. Er meinte, Jürgen vor Schmerzen stöhnen zu hören. Jetzt blieb er stehen, übermannt von dem Feuer, das durch seinen Körper jagte, er blickte sich um und taumelte dann weiter. Wie eine Zielscheibe war er … schwarz gegen das Weiß des Schnees. Ein Ziel, das man – so

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