Sie fielen vom Himmel
den Schnee. »Wir wissen aber, wo er zuletzt war. Und da geh'n wir jetzt hin! Vielleicht ist ihm übel geworden, und er liegt im Schnee. Er war in letzter Zeit so komisch.«
Leutnant Weimann fuhr vor der Gruppe her. Er furchte durch den Schnee den Weg für die sich gegen den Wind stemmenden fünf. Ab und zu blieb er stehen, fuhr langsamer und zog die vermummten Gestalten im Windschatten seines Autos weiter.
»Dort!« rief Müller 17. Er zeigte auf das kleine Tal, in dem Strathmann verschwunden war. »Von der Ecke aus hat er noch gewinkt!«
Theo Klein schob sich nach vorn neben Maaßen. In seinem Gehirn hatte sich ein schrecklicher Verdacht festgesetzt, ein Gedanke, den er nicht zu Ende denken wollte und der ihn plötzlich niederdrückte wie ein Zentnergewicht. »Du, Kurt«, brummte er und stieß Maaßen an. »Wenn das Partisanen waren …«
»Quatsch doch nicht so dusselig! Wir haben doch keinen gesehen!«
»Aber der Major hat doch auf was geschossen.«
»Auf 'nen Fuchs, wie du Vollrind auf 'nen Hasen!«
Theo Klein schwieg. Er trottete neben Maaßen durch den Schnee und wischte sich ab und zu die Nässe aus dem Gesicht und die spitzen Kristalle, zu denen sein Atem in dem eisigen Wind fror.
»Warst du im Osten, Kurt?« fragte er nach einer Weile.
»Ein Jahr.«
»Wo?«
»Am Ilmensee.«
»Habt ihr da auch einen Postenklau gehabt?« Theo Klein schnaufte leise. »Wir hatten einen … Jede Nacht verschwand unser Grabenposten … Lautlos, ohne Spur … er war einfach weg. Und wir hatten das Vorfeld vermint, und neben dem geklauten Posten lagen in dreißig Meter Entfernung 2 MG-Trupps. Direkt unheimlich wurde es uns. Wir stellten Doppelposten auf. Als die Ablösung kam … um 2 Uhr nachts … waren die beiden weg! Nach neun Tagen haben wir den Kerl erwischt … einen russischen Leutnant. Er hatte eine Minengasse entdeckt und schlich sich von hinten an die Posten 'ran. Griff an die Gurgel – ein Schlag vor den Latz … aus! Er hat uns elf Mann geholt und 'rüber zu den Iwans geschleppt!«
Die anderen sahen zu Boden.
Feldwebel Maaßen hob die Schultern. Ihm wurde ungemütlich. »Mensch, halt die Fresse! Hier sind wir in Italien und nicht an der Wolga. Kannste dir das vorstellen – daß den Strathmann einer klaut?! Den Strathmann?! Am hellichten Tag? Du hast ja 'n Stich, Theo …«
Sie stapften weiter, den Spuren von Weimanns Kübelwagen nach. Mitten in dem kleinen Tal hielten sie an und versammelten sich um das Auto. Leutnant Weimann schüttelte den Schnee von seiner Zeltplane und blickte an den Hängen empor. Sie stießen in den schwarzen Himmel hinein, es war kein Übergang mehr. Der Eindruck, die Felsen ragten bis in die Wolken, war vollkommen.
»Wenn er hier zuletzt gesehen wurde und nicht wieder aus dem Tal herauskam, muß er noch hier sein! Lebendig oder tot!« Theo Klein zuckte bei dem Wort ›tot‹ zusammen und sah Maaßen an. Dessen Gesicht war bleich, trotz der Kälte. »Also los, Jungs – ausgeschwärmt und gesucht.«
Er sprang aus seinem Wagen und ging als erster in das Tal hinein. Heinrich Küppers folgte ihm … er kletterte den linken Hang hinauf und leuchtete mit einer Stablampe die Büsche ab. Verteilt zogen ihnen die anderen nach. Leutnant Weimann zuckte unwillkürlich zusammen und riß die Maschinenpistole empor, als hinter ihm eine gewaltige Stimme aufschrie.
»Felix!« brüllte Theo Klein. »Felix! Felix!« Idioten, dachte er. Vollidioten, in diesem Gelände stumm zu suchen. In diesem Kusselgelände, an diesen zerklüfteten Hängen. Er brüllte den Namen und war erstaunt, daß plötzlich auch Maaßen den Namen schrie und dann Küppers … Müller 17, Bergmann … zuletzt auch Leutnant Weimann. Ihre Stimmen zerflatterten im Wind und wurden vom Schnee wie von Watte aufgesaugt.
An einem Busch hängend, im Schneesturm flatternd, fand Theo Klein ein Taschentuch. Es war Strathmanns Tuch, mit dem er seine Pistole vom Schnee reinigte, ehe er Maria Armenata sah. Theo Klein riß das Tuch aus den Dornen … es war fettig, ölig … Gewehrfett, stellte er fest. »Felix!« schrie er grell. »Mensch, Felix, mach keinen Unsinn!« Er winkte mit beiden Armen – als ihn niemand sah, schoß er in seiner Not in die Luft.
Weimann und Maaßen stürzten zu ihm den Hang empor. Küppers rutschte auf dem Hintern den Hang hinab und fiel Theo Klein fast vor die Füße.
»Sein Taschentuch!« sagte Klein. Er hielt es Leutnant Weimann hin. Daß dabei seine Hand zitterte, daran war nicht allein die Kälte
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