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Sie fielen vom Himmel

Sie fielen vom Himmel

Titel: Sie fielen vom Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schuld. »Es hing hier in den Dornen.«
    Weimann nahm es in die Hand. »Ganz fettig.«
    »Er hat seine MPi damit abgeputzt. Riechen Sie mal dran, Herr Leutnant … den ranzigen Geruch kenn' ich aus Tausenden heraus! Das ist Gewehrfett!«
    Feldwebel Maaßen sah Leutnant Weimann an. Ihre Blicke trafen sich mit dem gleichen Gedanken. Maaßen senkte den Kopf. Er kniff die Lippen zusammen. »Geh'n wir«, sagte Leutnant Weimann leise. Verständnislos starrte ihn Theo Klein an. »Geh'n … wieso?«
    »Sei nicht stur«, sagte Maaßen zögernd. »Nimm die Knarre und komm …«
    Klein blickte von einem zum anderen. Sie hatten begriffen, was Weimann sagte, in den dickwandigen Schädel Kleins aber war die plötzliche Erkenntnis noch nicht eingedrungen. Er setzte sich auf einen Stein neben dem Busch, mitten in den Schnee, die Zeltplane über sich, und ergriff mit beiden Händen seine Maschinenpistole.
    »Wir müssen doch den Felix suchen!« sagte er. Seine Stimme war heiser. »Wir können doch nicht einfach abhauen, nur weil wir sein Taschentuch haben! Das geht doch nicht! Kurt – Heinrich – Erwin – Josef – Herr Leutnant –« Er sah jeden einzelnen aus aufgerissenen Augen an. »Wir müssen ihn doch finden! Er ist doch unser Freund!« Und plötzlich brüllte er auf wie ein Stier und stampfte mit beiden Beinen in den Schnee. »Ich bleibe hier, bis ich ihn gefunden habe! Ich bleibe hier!« Seine Stimme überschlug sich.
    Heinrich Küppers zog ihn am Ärmel der Kombination empor. Wie ein Kind umfaßte er den großen, schweren Kerl und schob ihn den Hang hinauf.
    »Theo«, sagte er stockend. Er lauschte auf seine Stimme; sie klang so anders, wie verrostet. »Der Felix ist weg … Verdammt noch mal! Es ist eben Krieg, Theo!«
    »Geklaut?« Theo Klein sah Küppers aus leblosen Augen an.
    »Vielleicht.« Er hob die Schultern. »Vielleicht auch hinterrücks umgelegt und weggeschleppt. Der Schnee verdeckt ja alle Spuren. Es ist zum Kotzen …«
    Theo Klein blieb stehen. Feldwebel Maaßen trat an ihn heran und wollte ihm etwas sagen. Der fürchterliche Gesichtsausdruck Kleins preßte die Worte in seinen Mund zurück. »Der erste«, stammelte Klein. »Der erste, Kurt, aus unserer Gruppe. Korinth hat er mitgemacht, Kreta … Catania … Salerno … und von hinten legen sie ihn jetzt um! Den Felix, den jüngsten von uns …«
    Er schob Maaßen und Küppers beiseite und ging Weimann nach ins Tal. Wie ein Bär … tappend … nach vorne gebeugt, mit hängenden Armen. Küppers sah ihm verblüfft nach. Er begriff nicht, was er sah.
    »Der hat ja eine Seele«, sagte er verwundert. »Hättest du das gedacht, Kurt?«
    Maaßen schob die eiskalten Hände in die Taschen. »Wir kennen uns selbst nicht, Heinrich. Wir entdecken immer Neues an uns selbst. Wir Menschen sind nie fertig, und wenn wir mit achtzig sterben und glauben, das Leben zu kennen. Ich weiß, daß ich nichts weiß, hat mal ein Philosoph gesagt. Der Mann hat recht … Vielleicht hat er nur in den Spiegel geschaut und vor sich selbst den Kopf geschüttelt … das ist die beste Art, unser Leben zu charakterisieren …«
    Auf dem Weg heulte der Motor des Kübelwagens auf. Leutnant Weimann wartete auf die anderen … er wollte sie zurück zur Kompanie fahren. Theo Klein stand hinter dem Verdeck und hatte seine Hand durch die Uniform auf die nackte, wollige Brust geschoben. Er umklammerte den Brustbeutel und fühlte zwischen seinen klammen Fingern die runde Härte der Medaille von Monte Cassino. Das Geschenk des Abtes Diamare. ›Succisa virescit!‹ stand darauf.
    ›Wache langsam …‹
    Er verstand es nicht. Aber er spürte den Finger Gottes, der auf sein Herz gezeigt hatte.
    In dem Bericht, den Hauptmann Gottschalk an Major von der Breyle und die Division schrieb, hieß es: »Der Obergefreite Felix Strathmann, geboren am 24.9.1920 in Hamburg-St. Pauli, wohnhaft dortselbst, Henriettenstraße 28, wird seit dem 10.2.1944 vermißt. Er ist seit einer Partisanenbekämpfungsaktion abgängig. Nach Auffinden eines Taschentuches wird damit gerechnet, daß er a) in Gefangenschaft der Partisanen geraten ist oder b) von ihnen getötet und beiseite geschafft wurde. Bei dem Charakter des Obergefreiten Strathmann, der seit 4 Jahren in meiner Kompanie ist, ist mit fast hundertprozentiger Sicherheit das letztere anzunehmen.
    Obergefreiter Felix Strathmann ist Träger des EK II und EK I, des silbernen Verwundetenabzeichens, des Kreta-Abzeichens und hat in der Schlacht am Ätna drei amerikanische

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