Sie fielen vom Himmel
Panzer durch geballte Ladungen vernichtet. Ich bitte, den Obergefreiten Strathmann post mortem zum Unteroffizier vorschlagen zu dürfen.
Reinhold Gottschalk,
Hauptmann und Kompaniechef
III./1. Batl./34.FD.«
Oberst Stucken nahm die Meldung aus den Händen von der Breyles, der wortlos am Tisch stand. Er las sie durch und warf sie auf einen Stapel anderer Papiere.
»Ein merkwürdiger Fall, finden Sie nicht auch, Breyle? Verschwindet da einfach ein Mann! Vor unseren Augen …«
»Jawohl, Herr Oberst.«
»Was halten Sie davon, Breyle?«
»Ein tragischer Fall, Herr Oberst. Er beweist, daß trotz unserer mißglückten Aktion doch Partisanen im Bereich unserer Division sind!«
Breyles Stimme war fest. Sie schwankte nicht. Er konnte Stucken sogar in die Augen sehen. Das wunderte ihn am meisten und ließ ihn an sich selbst zweifeln. Ein Offizier belügt seinen Kameraden … mein Gott, Breyle, wie weit ist es gekommen? Wo bleibt die 400jährige Offizierstradition? Dein Vorfahre war Servatius von der Breyle, einer der Generäle des Großen Friedrich! Bei Zorndorf und Kunersdorf ritt er Attacken mit seinen Reitern, und als man ihm ein Bein abschoß, schrie er noch: »Mit diesem Bein zeichne ich die Grenze Preußens!«
Oberst Stucken legte die Hand auf die Meldung Gottschalks. »Sollen wir den Strathmann noch zum Unteroffizier machen, Breyle?« – »Das überlasse ich Ihnen, Herr Oberst.«
»Er scheint ein tapferer Kerl gewesen zu sein. Na – schreiben wir die Ernennung aus. Der deutsche Korporal war immer die Stütze der preußischen Armee.«
»Jawoll, Herr Oberst.« Major von der Breyle nahm das Blatt vom Schreibtisch und ging hinaus. Kopfschüttelnd sah ihm Stucken nach. Seitdem sein Sohn gefallen war, hatte sich Breyle verändert. Manchmal war er ihm unheimlich in seiner militärischen Korrektheit und seinem widerspruchlosen Befehlsempfang. Er konnte sich vorstellen, daß von der Breyle sich an den Rand der Via Casilina stellte und die Bombeneinschläge gewissenhaft, keine Bombe auslassend, zählte, wenn man es ihm befahl.
Stucken schüttelte nochmals den Kopf und griff nach den Meldungen der einzelnen Frontabschnitte. Neuseeländer und Inder waren zum erstenmal am Monte Cassino aufgetaucht … die Truppen des berühmten neuseeländischen Generals Freyberg. Er gab sich keiner Illusion hin, er wußte, was das bedeutete. Der Ansturm auf den Riegel vor Rom stand bevor, und die Spitze des Keiles zeigte auf Cassino. Schon lag die Stadt unter ständigem Beschuß … in langen Zügen flüchtete die Bevölkerung hinauf in das Kloster und ver-kroch sich in die unterirdischen Gänge und Kapellen, lagerte im Freien in den Höfen und hockte an den Wänden der Säle auf Stroh. Über 1.300 Männer, Frauen, Greise und Kinder retteten sich in die Obhut des Klosters und wurden von Erzabt Diamare und seinen Brüdern verpflegt.
Um den Berg herum aber marschierten die Regimenter der 5. Armee auf … Inder, Gurkha, Tunesier, Algerier, Marokkaner, Maori, Neuseeländer, Kanadier, Engländer, Schotten, Amerikaner, Polen … die zusammengeballte Faust eines ganzen Erdballs stieß gegen die Bergstellungen der deutschen Fallschirmjäger.
Was bedeutete da die Ernennung eines deutschen Obergefreiten zum Unteroffizier? Eine Verleihung post mortem …
Auf der feuchten Matratze an der schwitzenden Höhlenwand lag Felix Strathmann und schlief. Er schlief fest, traumlos, mit leicht geöffnetem Mund und rasselndem Atem. Er hatte seinen Arm unter die nackte Schulter Marias geschoben und lag auf der Seite, mit dem Gesicht ihr zugewandt. Wenn er sich bewegte und im Halbschlaf dehnte, fühlte er unter der warmen Decke ihren Körper, ihre Beine, ihren Leib, der sich an ihn preßte. Dann lächelte er und schlief wieder ein. Die animalische Wärme ihrer Haut, der leichte Schweiß der Erschöpfung, der ihre Körper überzog, betäubten ihn und machten ihn glücklich. Einmal, gegen Morgen, fuhr er empor. Es war ihm, als habe er seinen Namen gehört. Felix! Felix! Er setzte sich und lauschte. Die warme Hand Marias zog ihn zurück unter die Decke. Sie legte seine Finger auf ihren Leib und suchte mit den Lippen seine Halsbeuge. »Mia dolee«, sagte sie leise. »Mein Glücklicher … laß die Welt untergehen, wenn wir uns lieben …«
Das Zittern in seinen Lenden übermannte ihn. Er tastete mit den Händen über ihre Nacktheit und legte den Kopf zwischen die warmen Brüste. So schlief er wieder ein, wie ein Kind, das sich an die Mutter drückt,
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