Sie fielen vom Himmel
mit dem gummigekräuselten, langen Schaft. Ihre Knie waren steif, dort lagen die Knieschützer und Bandagen eng um den Körper und schützten die Gelenke. Hoch aufgerichtet, den Helm über den aufgesteckten Haaren, stand sie vor dem Spiegel und sah sich an. Ein fremdes Wesen, ein unirdisches Insekt, eine riesige Fledermaus, dachte sie. Sie ging ein paar Schritte, um sich an das Gewicht des Schirmes zu gewöhnen … die breiten Gurte rieben an der Innenseite ihrer Schenkel und an ihrem Unterleib. Wieder durchrieselte sie das Gefühl kribbelnder Wonne bis in die Fingerspitzen … mitten im Schritt hielt sie an, löste die Haken aus den Ösen der breiten Beingurte und warf den Fallschirm auf die Erde. Sie sah im Spiegel, wie heftig ihre Brust atmete. Erich, dachte sie. Sie schloß die Augen und legte beide Hände über das heiße Gesicht. Erich, wie ausgehungert bin ich. Wie durstig nach Liebe, nach Gefühl, nach Hingabe … Es ist furchtbar, ich schäme mich vor mir selbst … aber ich kann es nicht ändern, ich kann es einfach nicht … Ich habe solche Sehnsucht, solch wilde Sehnsucht, Erich … Sie warf sich auf das Bett und weinte. Sie biß in die Kissen vor Scham, sich so niedrig zu sehen vor dem eigenen Gefühl.
Am nächsten Morgen war alles vorüber.
Theo Klein und Heinrich Küppers lagen in den Trümmern des Klosters und schossen mit einem MG 42. Ihnen gegenüber, auf der Höhe 444, zweihundert Meter nordwärts der Abtei kletterten die Gurkha durch die Felsen und stürmten das Kloster. Es war der 17. Februar 1944, nachmittags 17 Uhr. Der dritte Angriff General Freybergs auf das zerstampfte Kloster. Fünf Bataillone als Sturmtruppe, ein ganzes Bataillon als Träger- und Nachschubbataillon warf er gegen den Monte Cassino. Gegen eine Kompanie Fallschirmjäger und eine kleine Gruppe Pioniere, Werfer und Gebirgsartillerie.
Der dritte Angriff auf einen Schuttberg, aus dem den Indern ein Feuer entgegenschlug, als habe nie eine Hölle von 450 Tonnen Bomben und Tausenden Granaten das Kloster umgewühlt. Die Hölle schlug zurück!
In seinem Befehlsstand saß General Freyberg und war blaß wie die gekalkte Wand hinter ihm. Der erste Angriff: 12 Offiziere und 130 Mann an Toten. Zerfetzt von dem MG-Feuer und den Granatwerfern der deutschen Fallschirmjäger. Der zweite Angriff: Die Berichte waren noch nicht abgeschlossen. Der dritte Angriff: Er rollte zum Berg hinauf und brach zusammen an der Höhe 444, wo die Gurkha hilflos wie Zielscheiben durch das rasende MG-Feuer taumelten und auf allen vieren durch die Felsen krochen. »Die Deutschen!« sagte General Freyberg verbittert. »Sie machen uns vor der Welt lächerlich …« Es war keiner um ihn, der ihm widersprach.
Leutnant Weimann kroch durch die Stellungen und warf sich neben Klein und Küppers zwischen die zerborstenen Säulen. Mit seinem Feldstecher sah er deutlich, wie die Inder zwischen Höhe 444 und Höhe 569 eingeklemmt waren und versuchten, in dem zerklüfteten Gelände Fuß zu fassen und die Nacht abzuwarten. »Sie wollen vor uns übernachten!« sagte er fröhlich. »Das Schlafliedchen singe ich ihnen schon.«
Heinrich Küppers drückte den Abzugshebel durch … das Ratatatata des gefürchteten MGs 42 bellte durch die Dämmerung. In den Felsen huschten die Gestalten, eine warf die Arme hoch, man hörte einen dünnen Schrei, dann kollerte der Körper über einen Hang und verschwand in einer Senke.
»Prost!« sagte Theo Klein gemütlich. »Der sieht den Indus nicht wieder.«
Weimann blickte verblüfft auf Klein. »Mensch, wissen Sie über-haupt, wo der Indus fließt?«
»Nee, Herr Leutnant.« Klein grinste. »Aber Feldwebel Maaßen sagte gestern, daß die Kerle da vom Indus kommen. Das habe ich behalten.«
Dreißig Meter seitlich winkte eine Hand. Dort lag Hauptmann Gottschalk und beobachtete neben einem Granatwerfer die Bewegungen zwischen den Höhen. Weimann sprang auf und rannte geduckt durch die Trümmer. Er kam an Maaßen und Müller 17 vorbei, die hinter einem MG hockten und Schokolade aßen. Gemütlich, ohne sich stören zu lassen. Sie saßen sich gegenüber, erzählten sich etwas und steckten die braunen Stückchen seelenruhig in den Mund. Weimann nahm dieses Bild im Vorbeihuschen auf und fiel lachend neben Hauptmann Gottschalk in den Schutt. Eine kleine Staubwolke wirbelte auf und zog träge über den mit Steinen vergrabenen Hof.
»Sie scheinen ja einen Mordsspaß zu haben«, sagte Gottschalk. »Dabei ist die Lage durchaus nicht rosig. Bis auf 200
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