Sie fielen vom Himmel
… Du, o du … du …« Sie glitt von seinem Körper zur Seite und bäumte sich unter seinen Händen auf. »Ich könnte eine Armee töten, um dich zu behalten«, seufzte sie. »Ich liebe den Krieg, oh, ich liebe den Krieg, weil er mir dich schenkte …«
Zwei Stunden später ritten sie weiter. Über Feldwege, einsame Felder, an Tümpeln vorbei, durch Pinien- und Zypressenwälder, Oliven- und Ölbäume. Weit entfernt hörten sie noch den Lärm der Schlacht … es war, als sei es ein Gewitter, das über unbekannte Gebiete niederging. Es berührte sie nicht mehr. Sie ritten in die Morgendämmerung hinein, der Freiheit entgegen, dem Frieden, einer eigenen Welt zu.
Maria lehnte den Kopf an Strathmanns Schulter. »Ich bin so glücklich, carissimo«, flüsterte sie. »Ich könnte singen.« Sie drückte sich an ihn, die Morgenkühle drang durch ihre Kleider. »Ho molto freddo …«
Er hob die Schultern. »Wir haben keine Decke mehr. Drück dich an mich, Maria.«
»Si, Felix …« Sie hauchte in ihre schmalen Hände. »Wie spät ist es?«
»Vier Uhr.«
Das Muli trabte träge durch die Felder. Auf einem Feldweg klapperten seine Hufe über die Steine. Ein frischer Morgenwind trieb ihnen den Geruch von nasser Erde ins Gesicht.»Wie lange müssen wir noch reiten?«
Maria Armenata hob die Schultern. »Vielleicht drei Tage … vielleicht fünf … Ich weiß es nicht. Wir reiten ans Ende der Welt, Glücklicher. Fragt man da, wie lange es dauert …?«
In Rom wurde für die große Schlacht um den Monte Cassino ein neues Lazarett zusammengestellt. Renate Wagner war unter den Schwestern, die halfen, die Medikamente einzupacken und auf dem Flugplatz die einzelnen Kisten und Pakete gegen Quittung zu übergeben.
Es war eine mehr schematische Arbeit, man verglich die Listen und die Kistennummern, strich sie ab, wenn sie verladen wurden, und ließ sich den Schein mit den vielen Nummern und Haken dahinter unterschreiben. Was in den einzelnen Kisten verladen wurde, wußte sie kaum. Sie wußte nur, daß sie nach Cassino kamen, in dieses Verdun des Zweiten Weltkrieges, wie es neulich ein Sprecher des Londoner Rundfunks sagte. Sie hörten die verbotenen Sendungen immer des Nachts, zu fünf Schwestern in einem Zimmer hockend, mit dem Ohr an dem leise gestellten Lautsprecher.
Das zweite Verdun … und Erich lag am Monte Cassino, es war die letzte Nachricht, die sie bekommen hatte, bevor die Verbindung abriß. Daß er noch lebte, erfuhr sie von Verwundeten, von Schwerverletzten, die Dr. Pahlberg so weit zurechtgeflickt hatte, daß man sie bis nach Rom in eine ordentliche Klinik transportieren konnte.
»Ein toller Kerl, der Stabsarzt!« sagten die Landser. »Ohne den wären wir alle krepiert.« Und die Offiziere, etwas höflicher und gebildeter, bestätigten Renate: »Ihr Herr Bräutigam, Schwester Renate – alle Achtung! Er ist einer der stillen Helden in der mörderischen Schlacht. Seine Aufopferung für die Verwundeten ist grandios! Er hat doch mitten im Trommelfeuer einen Oberschenkel amputiert, weil der Mann sonst mit seiner zerrissenen Schlagader verblutet wäre!« Ein stiller Held, dachte Renate Wagner, als sie das Zimmer der Offiziere verließ. Wenn er das hörte. Held! Er würde wie immer bei solchen Schlagworten sarkastisch lächeln und sagen: »Laß ihnen die Romantik des Krieges, Liebes. Sie brauchen einen Begriff, dem sie nachrennen. Sie wären Waisen und ständen ratlos in der Welt, wenn ihnen diese Worte genommen würden.«
Sie sah den Kisten nach, die auf einem Handwagen zu den Flugzeugen gerollt wurden. Dicke, alte, breite Ju 52, die gute, liebe ›Tante Ju‹, warteten auf die Ladungen, um sie an die Front zu fliegen und vielleicht über dem Kloster an Fallschirmen abzuwerfen, falls der Amerikaner sie überhaupt bis an den Monte Cassino heranließ.
Mit wachen Augen ging Renate Wagner über den Flugplatz. In einer Ecke, dort, wo das Rollfeld in weite Wiesen überging, übten wieder Fallschirmjäger-Rekruten das Schleifen vor dem Windesel und das Umlaufen des einfallenden Schirmes. Sie ging langsam an den Übenden vorbei zu der großen Halle und sah interessiert zu, wie eine Gruppe das Anlegen des Fallschirmes probte. Leutnant Günther Mönnig grüßte galant zu Renate hinüber, sie erwiderte den Gruß durch ein kurzes Nicken und ging weiter.
Oberfeldwebel Erich Michels und Unteroffizier Helmuth Köster erklärten einer anderen größeren Gruppe die Funktionen des Fallschirmes, seinen Mechanismus, das Prinzip der
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