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Sie haben mich verkauft

Sie haben mich verkauft

Titel: Sie haben mich verkauft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Kalemi
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mich umgehend dahin zurückschicken, wo ich herkam – ohne Geld, hungernd und ohne Zukunft.
    Als die Zeit verging und ich weder Arbeit fand noch eine Nachricht über meine rechtliche Stellung erhielt, wurde meine Depression immer schlimmer. Manchmal starrte ich aus dem Fenster der Wohnung auf den vor meinen Augen verschwimmenden Boden und überlegte, ob ich mich nicht einfach hinunterstürzen sollte. Ich fühlte mich so hilflos. Wieder einmal stellte mich Gott auf die Probe, aber immer noch fand ich keine Antworten. Ich konnte nicht arbeiten, konnte mich nicht um meine Kinder kümmern, und jeden Tag war da etwas, das mich an meine Vergangenheit erinnerte – ein Höschen, das ich in der Sauna getragen, ein Lippenstift, den ich benutzt hatte, Kleinigkeiten, die meinen Kopf mit Bildern füllten. Manchmal versuchte mein Verstand sogar, mich dorthin zu führen, wenn ich mit Murat zusammen war, aber das ließ ich nicht zu.
    Viel schlimmer wurde alles noch dadurch, dass auch Murat nicht so leicht vergessen konnte, obwohl ich nicht mehr arbeitete.
    »Ich bin nicht dein fester Freund«, sagte er eines Nachts zu mir, als wir uns unterhielten.
    »Aber wir leben doch zusammen«, erwiderte ich überrascht.
    »Na ja, wir amüsieren uns eben. Du bist eine gute Freundin.«
    »Aber gute Freunde gehen doch nicht ins Bett miteinander, oder?«
    »Du weißt doch, wie es war, bevor du herkamst, also versuch jetzt bitte nicht, alles zu verändern. Dräng mich nicht.«
    Ich überlegte eine Weile und fragte dann leise: »Glaubst du, du wirst mich je lieben?«
    »Ich weiß nicht.« Er starrte hoch zur Decke. »Das kann ich nicht sagen.«
    Mein Traum von einer Ehe würde nie wahr werden, das wusste ich jetzt. Murat hatte mich gerettet, und ich war ihm dankbar, aber tief in meinem Innern fühlte ich mich noch genauso verloren wie eh und je.

KAPITEL 36
    I ch kam in den Flur und sah zwei Umschläge bei der Tür liegen. Als ich mich bückte und sie aufhob, erkannte ich, dass der eine Brief aus der Ukraine kam. Er trug Tamaras Handschrift. Ich öffnete ihn sofort.
    Oxana,
    das hier ist sehr dringend. Schick mir sofort so viel Geld wie nur möglich. Ruf mich an, sobald du kannst. Große Probleme.
    Tamara
    Anrufen konnte ich nicht, weil ich kein Geld hatte, und den ganzen Tag war ich voller Angst und Sorge, als ich darauf wartete, dass Murat von der Arbeit zurückkam. Er gab mir zehn Pfund, und am nächsten Vormittag kaufte ich eine Karte fürs Handy und wählte dann die Nummer, als er das Haus verlassen hatte.
    »Oxana, ich habe so auf deinen Anruf gewartet«, sagte Tamara hastig, als sie meine Stimme hörte.
    »Tut mir leid. Ich habe den Brief erst gestern bekommen.«
    »Aber wieso hast du denn nicht gleich angerufen?«
    »Ich habe Geldprobleme.«
    »Ja, natürlich«, fuhr sie mich an. »Monatelang haben wir von dir schon nichts mehr bekommen.«
    »Was ist denn passiert?«
    »Sascha und Luda sind weggelaufen.«
    »Was?«
    »Sie sind verschwunden, keiner weiß, wohin. Zehn Tage lang hat die Polizei nach ihnen gesucht.«
    Der Boden unter meinen Füßen fing an zu schwanken. »Was soll das heißen?«
    Wie konnten Sascha und Luda verschwunden sein? Erst vor zwei Wochen hatte ich mit ihnen gesprochen, und es schien alles in Ordnung zu sein. Ich konnte kaum glauben, was Tamara da sagte.
    »Weiß Ira denn, wo sie sind?«, fragte ich. Ich war so verwirrt. Sie konnten doch nicht verschwunden sein! Es waren Kinder von elf und acht Jahren. Ira hatte mir Fotos geschickt; die zwei sahen immer noch wie Babys aus, mit ihren großen Augen und den hellen Haaren.
    »Natürlich nicht!«, fuhr Tamara mich an. »Aber da ist noch was. Sie haben fünfhundert Dollar gestohlen, die ich für einen Freund aufbewahren sollte, und der müsste in ein paar Tagen kommen und das Geld abholen. Wenn der rausfindet, dass es weg ist, dann geht er bestimmt zur Polizei; also muss ich es ihm zurückzahlen.«
    Über fehlendes Geld konnte ich nichts sagen. Wo waren Sascha und Luda? Die Ukraine war ein gefährliches Pflaster. Seit zehn Tagen? Das war eine sehr lange Zeit, wenn Kinder allein auf den Straßen waren. »Ich begreife das nicht«, flüsterte ich.
    »Das ist ganz einfach. Wir sind aufgewacht. Kein Geld. Keine Kinder. Hörst du mir zu, Oxana? Ich brauche fünfhundert Dollar.«
    Wieso redete sie andauernd über Geld? Was war mit meinen Kindern? »Ich werde es für dich auftreiben«, sagte ich, ohne länger darüber nachzudenken. »Aber wo können denn Sascha und Luda bloß sein?

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