Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sie haben mich verkauft

Sie haben mich verkauft

Titel: Sie haben mich verkauft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Kalemi
Vom Netzwerk:
wie den Koran und redete mit mir über Dinge, von denen ich vorher noch nie gehört hatte. Bald erzählte ich ihm, wie sehr ich zu Gott gebetet und ihn angefleht hatte, mir all das Schlechte zu verzeihen, das ich tat.
    »Ich glaube, ich muss wohl bestraft worden sein. Vielleicht war ich keine gute Mutter. Vielleicht habe ich bei Pascha versagt. Ich muss eine schlechte Mutter sein, denn jetzt weiß ich nicht einmal mehr, wo Pascha ist.«
    »Aber du hast getan, was du für richtig hieltest«, sagte Murat mir immer wieder. »Gott hat dich auf die Probe gestellt, und du hast gezeigt, dass du stark bist. Er wird immer bei dir sein, und das darfst du nie vergessen, und du darfst auch nicht denken, dass alles deine Schuld war. Denk doch an all diejenigen auf der Welt, die weder Wasser noch Lebensmittel haben. Sie leben ihr Leben, und das solltest du auch versuchen.«
    Murat war anders als alle Menschen, die ich bisher gekannt hatte, und er half mir, die Welt aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Alle hatten bisher mir die Schuld gegeben, aber nicht er. Er kümmerte sich um mich, und auch wenn er keinMillionär war, bezahlte er meine Rechnungen. Im Gegenzug tat ich alles in meinen Kräften Stehende, um für ihn zu sorgen; ich kochte, wusch die Wäsche und bügelte. Für mich war das wie die Ehe, die ich nie gehabt hatte. Murat schlug mich nicht – er war freundlich und nahm mich oft in den Arm, wenn wir auf dem Sofa lagen, oder machte mir Vorschläge, wie ich mich kleiden sollte, was mir zeigte, wie sehr er sich für mich interessierte. Er war ein guter und zärtlicher Liebhaber, aber trotzdem war es schwer für ihn, mir seine Zuneigung zu zeigen. Den Grund dafür erahnte ich, als wir eines Tages in einem Café saßen und seine Freunde hereinkamen. Murats Gesichtsausdruck veränderte sich, und er verhielt sich irgendwie ausweichend.
    »Könntest du dich bitte woanders hinsetzen?«, bat er mich inständig. Ich verstand und setzte mich schnell und ruhig an einen anderen Platz. Ich wartete, bis seine Freunde gegangen waren, und dann gingen wir zusammen nach Hause.
    »Wieso wolltest du denn nicht, dass man uns zusammen sieht?«, fragte ich.
    »Darüber musst du dir keine Gedanken machen«, sagte er achselzuckend. »Das war nur ein Gespräch unter Männern. Das brauchst du nicht zu hören. Es ging um Jobs, um Arbeit, so was eben, langweiliges Zeug.«
    »Ist es dir peinlich, mit mir gesehen zu werden? Schämst du dich für mich?«
    »Nein. Natürlich nicht. Aber in meiner Welt beziehen die Männer die Frauen nicht mit ein, wenn sie sich unterhalten, das ist alles.«
    Ich wusste, dass er log, doch ich akzeptierte es. Er musste mich nie wieder bitten, mich woanders hinzusetzen – ich achtete immer darauf, dass seine Freunde uns in der Öffentlichkeit nicht zusammen antrafen. Sie würden keine Frau in mir sehen, sondern eine Prostituierte.
    Trotz des Glücks, das Murat mir geschenkt hatte, war ich tief in meinem Innern traurig darüber, dass er mich nicht so liebte wie ich ihn, aber ich hatte Verständnis dafür. Ich schämte mich für das, was ich war; wie konnte ich da von Murat etwas anderes erwarten? Ich sagte mir, er müsse lernen, mir zu vertrauen. Ich würde meinen Körper nicht mehr verkaufen. Ich war auf dem Weg, mich selbst wieder zu respektieren, und das würde Murat bald auch tun. In meinem Land heißt es, die Zeit zeige alles, und ich musste eben nur geduldig auf den Tag warten, an dem er mir sagte, er liebe mich und wolle mich heiraten.
     
    Es war eine große Erleichterung für mich, dass ich nicht mehr arbeitete und mich nicht mehr verkaufte. Der Zorn in mir war im Begriff zu verrauchen. Aber dann ergab sich das Problem, das ich am meisten gefürchtet hatte.
    Seit ich von Ardy fortgelaufen war, hatte ich alle paar Wochen ein wenig Geld nach Hause geschickt. Es bedeutete mir so viel, dass ich die Kinder unterstützen konnte, und ich hatte mir geschworen, sie nie wieder zu enttäuschen. Aber da ich nicht mehr arbeitete, hatte ich auch kein Einkommen mehr, und es schien unmöglich, einen anderen Job zu finden. Ich hatte zu große Angst, Engländer um Arbeit zu bitten, weil ich keinerlei Papiere hatte und sie mich der Polizei melden könnten, also sah ich mich stattdessen in der türkischen Gemeinde um. Doch wenn ich mich für einen Job als Reinigungskraft bewarb, fragten die Männer immer wieder, wie ich aussähe und ob ich einen Freund hätte, also war mir gleich klar, was sie in Wirklichkeit suchten. Andere wollten

Weitere Kostenlose Bücher