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Sie haben mich verkauft

Sie haben mich verkauft

Titel: Sie haben mich verkauft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Kalemi
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sehr, dass er mir seine Pistole gab, obwohl er mich erst ein paar Wochen kannte. Sollte ich ihn erschießen?, überlegte ich. Ich stellte mir vor, wie ich ihm den Lauf an die Schläfe hielt und den Abzugshahn durchzog und dann den Rückstoß spürte, wenn die Kugel in Serdars Gehirn explodierte. Aber er fuhr sehr schnell – ganz sicher würden wir bei dem unweigerlich folgenden Autounfall alle sterben. Wie dem auch sei – ich wusste, ich hätte niemals jemanden töten können; es war Sünde, ein Leben zu vernichten. Außerdem hatte ich einen anderen Plan. Ich wollte mein Möglichstes tun, um Serdars Liebe und sein Vertrauen zu gewinnen – dann würde er mir mehr Freiheit lassen, und irgendwann würde ich schließlich fliehen.
    Sascha, Pascha und Luda waren immer in meinen Gedanken. Ich sah sie, wenn ich die Augen zumachte, das Essen auf meinem Teller anstarrte oder Serdars Hände spürte, die mich an ihn zogen. Jetzt dachte ich wieder an meine Kinder, als ich neben ihm saß und wir aufs Land fuhren. Mein Plan musste einfach gelingen, und ich musste nach Hause kommen.
    Bald hielten die Wagen auf einer unbefestigten Straße, und Serdar stieg aus.
    »Wir müssen zu Fuß weiter!«, rief er, und die Bodyguards, die Frauen und ich folgten ihm in eine tiefe Klamm.
    An der Schlucht entlang führte er uns auf deren Grund und dann wieder hoch zu einer Stelle, an der ein großes Haus stand. Wir gingen hinein; drinnen gab es ein großes Wohnzimmer, drei Schlafzimmer und eine Küche. Unten befand sich ein riesiger Keller.
    »Hier gibt es nur das Nötigste. Fließend Wasser haben wir nicht, auch kein Bad. Ihr müsst euch Wasser aus dem Bach holen«, sagte Serdar zu mir, als wir hineingingen. »Sieh zu, dass die Mädchen nicht allein rausgehen. Ich will, dass du die Aufsicht über sie übernimmst, verstanden?«
    Ich nickte. »Du kannst dich auf mich verlassen.«
    Serdar lächelte. »Schön. Und du musst das Kochen und Putzen organisieren. Sag den Bodyguards, was du brauchst.«
    Den Tag verbrachten wir damit, uns häuslich einzurichten. Der Tapetenwechsel, die frische Landluft und die Herausforderung des alten Hauses gaben allen einen Energieschub, und wir wischten Staub, putzten und sortierten unsere Sachen. Serdar sagte, wir würden vielleicht einige Wochen bleiben, also mussten wir es uns gemütlich machen.
    Später am Abend kam Serdar zu mir. »Ich will dir was zeigen.«
    Wir gingen hinaus, die Stufen hinunter und auf die wuchtigen Türen zu, die in den Keller führten. Serdar machte die Türen eine nach der anderen auf und winkte mich herbei. Ichwarf einen Blick hinein – und sah reihenweise Pistolen und Kartons mit Munition herumliegen. Ich zuckte zusammen, gab mir aber Mühe, mir meinen Schrecken nicht anmerken zu lassen.
    »Verkaufst du das Zeug?«, fragte ich beiläufig.
    »Nein, die Waffen sind für meine Jungs«, antwortete Serdar. »Wir müssen uns verteidigen.«
    »Gegen wen?«
    »Gegen unsere Konkurrenten.«
    »Weshalb?«
    »Wegen dir – Frauen wie dir. Manchmal bringen mir Männer Frauen; sie verkaufen sie preiswert an mich, und ich verkaufe sie an Leute jenseits der Grenze. Aber immer mal wieder kann es Probleme geben. Die Frauen haben das Geld nicht, um allein rüberzukommen, aber sie wollen unbedingt weg, um ordentlich zu verdienen, und ich kann das ja nicht umsonst machen.«
    Das war also die Geschichte, die Serdar für sich zurechtgelegt hatte: Die Frauen wollten gehen. Sie hatten sich alle freiwillig für die Prostitution entschieden. Das lief ganz ohne Zwang ab und ohne dass eine gefangen gehalten wurde. Wieso dann all die Bodyguards? Wieso die Drohung, man würde uns erschießen, wenn wir versuchten zu fliehen? Ohne ein Wort zu sagen, starrte ich Serdar an, als er ein großes dreieckiges Gestell nahm und zur Kellertür ging.
    »Komm mit nach oben.«
    Die Dämmerung brach herein, als er das Gestell aufbaute und ein Gewehr daran befestigte.
    »Mir gehört das Hotel, in dem du untergebracht bist«, sagte er. »Ich habe ordentlich Geld verdient, weißt du, aber ich habe keinen, mit dem ich es teilen kann. Meine Frau und meine Tochter sind vor vielen Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen, und seitdem war ich immer allein.«
    Einen Moment war nur Traurigkeit in Serdars Gesicht zu erkennen, ehe er zum Gewehr griff und in die Ferne starrte. Plötzlich war die Nachtluft erfüllt von dem schrillen Pfeifen von Kugeln, als er lachend das Gewehr abfeuerte.
    »Siehst du?«, schrie er. »Dies alles hier gehört

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