Sie haben sich aber gut gehalten!
John ohne Zögern. «Aber das ist vielleicht keine so gute Idee. Ich –»
In dem Moment geht die Tür auf, und Lotte erscheint. «Ah, wen haben wir denn da? John! Wie schön, dass Sie uns besuchen. Sie bleiben doch zum Essen?» Erfreut streckt sie ihm die Hand hin.
«Danke, sehr freundlich», entgegnet John mit einer angedeuteten Verbeugung. «Aber …»
Also, für meinen Geschmack benimmt er sich ja etwas zu formell, aber vielleicht möchte er bei Lotte einen besonders guten Eindruck als potenzieller Vermieter hinterlassen.
«Keine Widerrede. Sie essen mit uns», bestimmt Lotte und dreht sich zu meinem Vater um. «Bertilein, bist du so lieb und holst uns schnell etwas Wein aus den beiden Kisten, die du mir mitgebracht hast? Davon spendiere ich uns ein, zwei Fläschchen.»
Aha! Schmutzwäsche für die Tochter, Wein für das Schwiegermonster! Tja, ich sehe wunderschönen Zeiten entgegen. Noch ehe ich meinen Frust in Worte fassen kann, hakt Lotte die beiden Männer unter und zieht sie aus der Küche.
«Kommen Sie, John», flötet sie beim Rausgehen. «Ich stelle Sie dem Rest der Familie vor.»
Ich bleibe zurück mit einer Frage, aus der diverse Fernsehsender gewinnträchtige Serien gebastelt haben: Was soll ich bloß kochen?! Auf der Mattscheibe wird ratlosen Hausfrauen ja täglich vorgeführt, wie kinderleicht es ist, aus läppischen zwei bis drei Zutaten ein mehrgängiges Fünf-Sterne-Menü zu zaubern. Vorausgesetzt, man besitzt eine neumodische Küche mit allen Schikanen, nebst der Ausstattung eines Chemielabors und Stickstoff in Flaschen. Dann kann die fernsehgeschulte Köchin molekularen Melonenkaviar in die Cocktails purzeln lassen, luftig-leichtes Erbsenschäumchen in Tassen sprühen oder geeisten Parmesan für die Pasta produzieren.
Aber in meiner ramponierten Uralt-Küche ist das einzig moderne Gerät ein Kühlcenter mit unterschiedlichen Kühlzonen (wie es neudeutsch heißt), das mir als Hausfrau das Wirtschaften erleichtern soll. Zu dumm, dass da kein Sternekoch drinsitzt, der mir die Zutaten reicht und auch gleich das Rezept verrät.
Ratlos starre ich in den Innenraum des Kühlschranks. Trotz des Großeinkaufs habe ich das unangenehme Gefühl, dass sich dort nichts Brauchbares findet. Das geplante Spargel-Schinken-Gericht reicht jedenfalls nicht für acht Personen. Mein Vater und John waren ja nicht eingeplant.
Wie John sich wohl schlägt im Kreise meiner Familie?
Die Tür geht auf, und ein blauer Kaftan erscheint. «Wo hast du denn …» Sie stockt, durchquert den Raum und gesellt sich zu mir.
«Suchst du was Bestimmtes, Lotte?»
«Wir brauchen Weingläser.»
Was soll das? Sie weiß doch ganz genau, wo unsere Gläser stehen. Stöhnend schließe ich das Kühlcenter. «Es reicht nicht für alle.»
«Macht doch nichts, gib mir einfach andere Gläser», sagt sie unbekümmert wie immer. «Ist ja kein Staatsbankett.»
Lottes Frohsinn bringt mich aber nicht zum Lachen. «Ich sprach vom Essen, das nicht für acht Leute reicht.»
Resolut öffnet sie den Kühlschrank. «Liebchen», sagt sie kopfschüttelnd und schließt ihn wieder. «Mit dem Inhalt kannst du eine ganze Schulklasse verköstigen.»
«Ja, mit Butterbroten», entgegne ich seufzend. «Aber vom Spargel ist nicht genügend da.»
«Rosy», hebt Lotte streng an und stemmt ihre Fäuste in die Hüften. «Es muss nicht immer alles superperfekt sein wie aus dem Kochbuch. In geselliger Runde schmeckt alles lecker, auch simple Pellkartoffel ohne Spargel. Marie möchte übrigens nicht mitessen, sie ist müde. Aber ein Glas laktosefreie Milch hätte sie gern.»
Ha! Davon ist so viel im Haus, dass wir alle darin baden könnten.
Unterstützt von Lottes Geplauder, mache ich mich an die Zubereitung einer
unperfekten
Kartoffel-Spargel-Schinken-Pfanne und einer großen Schüssel Salat (für die auf sieben reduzierten Esser).
Endlich servieren wir das sehnlich erwartete Essen über die Durchreiche. Inzwischen wurde der Tisch gedeckt und Baguette für ersten Hunger serviert. Auch die erste Flasche Wein ist bereits geleert – und die zweite geöffnet.
Kaum sitze ich am Tisch, muss ich meinen männlichen Nachwuchs zur Ordnung rufen. Rüpelhaft wollen sich beide gleichzeitig die Salatschüssel schnappen, ohne sich um unseren Besuch zu scheren.
«Hey», motzt Charlie seinen Bruder an. «Der Ältere hat Vortritt.»
«Charlie, Fabian», rufe ich sie zur Ordnung. «Seid bitte so freundlich …» Mehr muss ich nicht sagen, denn sie wissen ganz genau,
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