Sie haben sich aber gut gehalten!
dass du es mit jeder Dreißigjährigen aufnehmen kannst. Solltest du Interesse an meiner Branche haben, würde ich deine Bewerbung wohlwollend prüfen.» Er zwinkert mir verschwörerisch zu.
Wie ertappt schießt mir das Blut ins Gesicht. Ich weiß natürlich, dass seine Andeutung eine passende Gelegenheit wäre, meiner Familie von heute Nachmittag zu berichten. Aber plötzlich fällt es mir schwer, an mich und meine Bedürfnisse zu denken. «Äh … Also ich weiß nicht. Ich bin doch keine Immobilienmaklerin», antworte ich ausweichend.
«Ach, so schwierig ist der Job nicht», entgegnet John leichthin und berichtet der Runde, wie professionell ich ihn durch unser Haus geführt habe. «Als wäre Rosy seit Jahren in dieser Branche tätig.»
«Hört, hört», knurrt Charlie dazwischen. «Hab ich das nicht heute Nachmittag schon gesagt? Häuser und Wohnungen verscherbeln oder vermieten kann jeder. Und dafür auch noch Geld zu nehmen, ist für mich kriminell!»
Mit dieser offen ausgesprochenen Feindseligkeit meines Ältesten verflüchtigt sich die friedliche Stimmung wie der Duft von frischem Kuchen bei geöffnetem Fenster.
Geräuschvoll lege ich mein Besteck auf den Teller. «Charlie, du entschuldigst dich sofort», weise ich ihn streng zurecht.
Bockig zuckt er die Schultern.
Das melodische Klingeln eines Handys dudelt dazwischen.
Es ist Charlies Telefon, das er sofort aus seiner Hosentasche fischt. Nach einem kurzen Blick darauf erhebt er sich und unterrichtet uns im Gehen: «Marie braucht mich!»
«Tja, früher gab es Glöckchen, heute tut es ein Handy.» Kichernd blickt Lotte ihrem Enkel nach.
Mein Vater ergreift die Gelegenheit, das Gespräch wieder aufzunehmen. «Und, wie laufen die Geschäfte?», erkundigt er sich in jovialem Von-Mann-zu-Mann-Tonfall bei John. «Wenn es überhaupt noch eine Goldgrube auf dieser Welt gibt, gräbt man doch am besten als Immobilienmakler in München, oder?»
Mir fehlen die Worte. Ich hätte meinen Vater nicht für derart unsensibel gehalten. Oder gehört Taktlosigkeit unter Männern zu den gängigen Machtspielchen?
John reagiert nur mit einem stummen Schulterzucken.
Sichtlich zufrieden holt mein Vater eine Zigarre aus seinem Etui. «Stört es dich, wenn ich rauche?», fragt er Lotte.
«Aber
mich
stört es», antworte ich empört. «Und du weißt genau, dass du hier drinnen nicht rauchen sollst. Wenn du also unbedingt qualmen musst, wirst du dich auf die Terrasse begeben müssen.»
«Wie ungemütlich», brummt mein Vater beleidigt, greift aber dann doch nach seinem Glas und erhebt sich.
«Mich würde es nicht stören», erklärt John verbindlich.
Doch Lotte schnappt sich ebenfalls ihr Weinglas und dazu noch die halbvolle Rotweinflasche. «Ein bisschen frische Luft kann nicht schaden.»
Arm in Arm wackeln die Urgroßeltern in spe von dannen.
Um zu retten, was zu retten ist, stelle ich die Teller zusammen und frage in die verbliebene Runde: «Wer möchte Espresso? Nachtisch kann ich leider keinen anbieten, aber ein paar Kekse finden sich bestimmt noch im Schrank.»
Juliane verkündet, auf einer Party eingeladen zu sein, und schwirrt ab. Auch Fabian lehnt kopfschüttelnd ab und verzieht sich.
«Ich könnte einen starken Kaffee vertragen», sagt John. Er springt auf, taumelt ein wenig und lässt sich wieder auf den Stuhl plumpsen. «Oh, oh, das war wohl ein Glas zu viel.»
Dennoch hilft er mir, das Geschirr zur Durchreiche zu tragen, und folgt mir dann in die Küche, wo ich mich nochmal für Charlies unangebrachtes Benehmen entschuldige.
«Ach was», winkt er großzügig ab. «Ich war ja auch mal jung und hitzköpfig. Vielleicht ist Charlie auch nur gestresst, weil er nicht genau weiß, was auf ihn zukommt. Aber ich muss sagen, wie du deine Familie im Griff hast, Rosy, alle Achtung.»
Von wegen! Hätte ich meine Lieben tatsächlich im Griff, würden sie unsere Gäste nicht beleidigen und über mich herfallen wie ein Schwarm Heuschrecken.
John entpuppt sich in der Küche nicht gerade als geschickter Helfer. Er scheint tatsächlich beschwipst zu sein.
«Warum bist du eigentlich nicht drauf eingestiegen, als ich von dem Jobangebot sprach?», fragt er plötzlich. «Etwa wegen des nachmittäglichen Desasters? Das war doch nicht deine Schuld.»
Schulterzuckend setze ich unsere vollautomatische Schweizer Espressomaschine in Gang. «Keine Ahnung, ich wollte auf den richtigen Augenblick warten.»
«Und wann wird der sein?» Er lehnt sich gegen die Arbeitsfläche und
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