Sie haben sich aber gut gehalten!
sieht mich an. «Mein Jobangebot steht noch.»
Ich stelle zwei Tassen unter die Düsen. «Wer weiß?», antworte ich, denn ein bisschen schmolle ich jetzt. Eigentlich wollte er doch mit mir über UNS reden, und jetzt wäre eine gute Gelegenheit. Aber er denkt nur an seine blöde Firma.
Unsere Unterhaltung wird von zornigem Geschrei unterbrochen, das von draußen kommt. Ich erkenne Charlies Stimme und trete in den Flur, um zu hören, was los ist.
«Woher kommt dieser verdammte Qualm? Raucht da etwa jemand?», schreit er durchs Treppenhaus. «Hier ist eine Schwangere im Haus. Nehmt gefälligst Rücksicht.»
Na, das kann ja heiter werden, seufze ich und begebe mich wieder zu John, der soeben die Spülmaschine geöffnet hat. Eine heiße Dampfwolke schlägt uns entgegen, dann gibt das Gerät seltsam blubbernde Laute von sich.
«Oje. Das Wasser wurde noch nicht abgepumpt», vermutet John.
«Komisch, mein Vater hat sie doch heute Nachmittag repariert», murmle ich frustriert vor mich hin.
«Dann ist sie jetzt wohl total im Eimer», entgegnet John unbekümmert. Unaufgefordert beginnt er das noch schmutzige Geschirr auszuräumen. «Wir werden mit der Hand spülen müssen.»
Super! Erst macht
Mimi
schlapp und nun auch noch die Spülmaschine. Wenn jetzt auch noch die Kaffeemaschine streikt, dann platze ich vor Glück.
Doch die Schweizer Wertarbeit lässt mich nicht im Stich. Zuverlässig läuft die schwarze Flüssigkeit in die Tassen.
Ich nehme Löffel aus der Schublade, hole die Zuckerdose aus dem Schrank und stelle alles mit den Tassen auf ein Tablett.
«Komm, wir setzen uns an den Tisch und genießen den Espresso», sage ich zu John. «Mir reicht’s nämlich für heute. Um den Abwasch kann sich Lotte oder eines der Kinder kümmern.»
«Au ja … Kaff … hicks …» John hält sich die Hand vor den Mund. «Ups, sorry, ich habe definitiv zu viel getrunken. Den Kaffee brauche ich wirklich dringend.»
Während wir das heiße Getränk schlürfen, mustere ich ihn unauffällig. Bis auf seine leicht geröteten Wangen wirkt er eigentlich normal.
«Du bist mit dem Wagen hier, oder?», frage ich.
Er nickt. «Aber ich bin vernünftig und fahre mit dem Taxi nach Hause. Ich will nicht riskieren, meinen Führerschein abgeben zu müssen.»
Wie John dann etwas später von der Taxizentrale erfährt, beträgt die Wartezeit eine Stunde. Anscheinend sind am Samstagabend noch mehr Münchner
vernünftig
.
«Hmm», murmelt er und sieht mich dabei nachdenklich an. «Die nette Dame in der Taxizentrale hat mir geraten, zur Hauptstraße vorzulaufen. Da könnte ich Glück haben und vielleicht eher ein vorbeifahrendes erwischen. Was meinst du?»
Johns Fragestellung entnehme ich, dass er nicht wirklich die Absicht hat, zur Straße zu laufen.
«Ja, das wäre möglich», bestätige ich und sehe ihn fragend an. «Und wie wäre es, wenn ich dich fahre?»
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16
Z wanzig Minuten später erreichen wir Johns Haus. Er öffnet den Gurt, dreht sich zu mir und legt einen Arm bequem auf die Rückenlehne, als wolle er sich noch unterhalten.
«Danke nochmal für deine Unterstützung heute Nachmittag. Auch für das leckere Essen und natürlich fürs Heimfahren, Rosy. Das war der schönste Teil des Abends», sagt er.
«Keine Ursache», entgegne ich und stelle den Motor ab. «Es war eine prima Gelegenheit, meiner Chaos-Familie und den kaputten Haushaltsgeräten zu entkommen. Wäre ich geblieben, hätte ich den Abwasch erledigen müssen.»
«Also, ich finde deine Familie lustig.» Er grinst vor sich hin, als käme er aus einer Kino-Vorstellung und hätte sich köstlich amüsiert.
«Trotz der Gemeinheiten von Charlie und meinem Vater?», wundere ich mich.
«Längst vergessen», winkt John großzügig ab. «Ich glaube, wir hatten alle zu viel Wein.»
«Nein, nicht alle», widerspreche ich. «Anscheinend hast du es nicht bemerkt, aber ich habe nur Wasser getrunken.»
«Wenn das so ist …» Er zwinkert mir übermütig zu. «Dann hast du nach dieser anstrengenden Autofahrt bestimmt wahnsinnig Lust auf eine eisgekühlte Cola?»
Ich mustere ihn und muss lachen. Er ist und bleibt ein Filou. Und wie man immer wieder hört, treten die meisten Eigenschaften im Alter noch ausgeprägter hervor. Andererseits, was erwartet mich zu Hause: eine unaufgeräumte Küche, ein schamloses Schwiegermonster, das meinen Vater verführen will, und drei ungezogene Kinder nebst einer überempfindlichen Schwangeren. Wahrlich kein Grund, schnell
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