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Sie haben sich aber gut gehalten!

Sie haben sich aber gut gehalten!

Titel: Sie haben sich aber gut gehalten! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilli Beck
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Verkauf bestehst, Rosemarie, werden eine Schwangere, deine drei Kinder und ihre Großmutter obdachlos.»
    Logisch! Mama ist mal wieder schuld. Aber ich verstehe immer noch nicht. «Wieso obdachlos? Lotte und das junge Paar wären gut versorgt, und Fabian will doch nach Amerika auf die Walz.»
    «Und wo bleibe ich?», fragt Juliane schmollend.
    «Wieso? Du bist doch glücklich im Land, wo die Zitronen blühen, wo die Sonne immer scheint und die Männer noch wissen, was Romantik ist», erinnere ich sie mit ihren eigenen Worten.
    «Italien kann mir gestohlen bleiben», braust sie auf. «Die Macho-Typen sind doch alle verheiratet und betrügen ihre Frauen. Nein danke. Mit diesem Zitronen-Land bin ich fertig. Basta, finito, verstehst du?» Ihre Wangen glühen vor Zorn.
    Basta, finito? Das hört sich doch ganz nach einer unglücklichen Liebe an.
    «Und dein Studium?», frage ich.
    Sie funkelt mich mit ihren türkisblauen Augen an. «Wer braucht denn heutzutage noch Italienisch? Das spricht man sowieso nur in Italien.»
    «So plötzlich?», wundere ich mich.
    «Klassischer Fall von Fehlentscheidung», gibt Fabian sein Statement zum Besten. «Ich fand Italienisch immer schon bescheuert. Braucht man nicht mal mehr in Restaurants. ‹Pizza quattro formaggi› kann doch jeder Depp akzentfrei ordern. Lern lieber was Anständiges. Ein Handwerk. Damit kommst du überall auf der Welt durch. Hauswirtschaft, beispielsweise. Kochen, putzen, wa–»
    Eine zusammengeknüllte Stoffserviette landet treffsicher an seinem Kopf.
    «Widerlicher Macho», schreit Juliane so laut, dass man es vermutlich noch auf der Straße hört. «Du hast natürlich voll den Durchblick … du … du Praktikant!»
    Na super, jetzt will Juliane auch noch bleiben!
    «Ruhe!», krächze ich, obwohl ich am liebsten laut losbrüllen würde.
    «Ja, seid doch bitte etwas leiser», verlangt nun auch Lotte. Dann wendet sie sich mir zu. «Also ich wäre ja wirklich gerne in die Innenstadt gezogen», erklärt sie dann scheinheilig. «Ehrlich. Aber die Situation hat sich doch gravierend geändert, wie du zugeben musst. Und deshalb finden wir eben, dass du den Hausverkauf überdenken und, wenn überhaupt, frühestens in einem Jahr angehen solltest. In der Zeit kann sich viel verändern, und auch das Baby ist dann aus dem Gröbsten raus.»
    Entsetzt schnappe ich nach Luft. «Ein Jahr?» Zwölf lange Monate? Dreihundertfünfundsechzig Tage zurück in das alte Hamsterrad? Das ist ja eine Ewigkeit, denke ich und sehe mich zwischen Supermarkt-Einkäufen und Küchendämpfen, mit rotgescheuerten Putzfrauenhänden die Waschmaschine befüllen und in Lichtgeschwindigkeit altern.
    «Moment», versucht Lotte mich zu beruhigen. Anscheinend spürt sie meine Wut. «Wir sind auch bereit, eine Gegenleistung zu erbringen! Wir werden das Haus renovieren und es gründlich aufpolieren.» Sie schaut Herbert an, der ihr eifrig zunickt.
    Fabian nickt ebenso beifällig. «Frischgestrichene Räume erhöhen den Verkaufswert beträchtlich, Mama. Ich hab gehört, du hättest so etwas bereits erwogen.»
    Eigenrenovierung?! Der Spieß lässt sich umdrehen. Das könnte mich retten. «Überschätzt ihr euch da nicht? Das Haus hat drei Etagen, den Keller nicht mitgerechnet, neun Zimmer, dazu die Flure und die Abstellkammer im Dachgeschoss. Außerdem bekommt man Material für eine gründliche Renovierung auch nicht kostenlos. Und was Farben, Tapeten und so weiter kosten, weißt du ja wohl am besten, Fabian.»
    Mein Schreinerpraktikant zuckt gelangweilt die Schultern. «Also die Arbeiten sind ’ne Kleinigkeit, Mama. Du hast doch zwei junge, kräftige Söhne.»
    «Für das Material würden wir den Betrag beisteuern, den wir bisher für unser Appartement bezahlt haben», bietet Charlie an. «Fabian und Juliane legen ihren Unterhalt drauf.»
    Das wird ja immer besser. Ich stehe eine Stunde in einer baufälligen Immobilie rum, und zu Hause bricht buchstäblich alles zusammen. «Mit Volker habt ihr höchstwahrscheinlich auch schon verhandelt?», schließe ich aus dieser Information.
    «Das war ich», gesteht Lotte, ohne rot zu werden. «Und damit ich auch einen Beitrag zur Renovierung leisten kann, suche ich mir einen Job.»
    Verblüfft mustere ich sie. Dass Frauen ihres Alters in der Arbeitsmarkt-Statistik gar nicht geführt werden, geschweige denn Stellenangebote bekommen, scheint sie nicht zu kümmern.
    «Ach, und an was für einen Job hast du gedacht?», frage ich lauernd.
    Selbstbewusst blickt sie mich an.

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