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Sie haben sich aber gut gehalten!

Sie haben sich aber gut gehalten!

Titel: Sie haben sich aber gut gehalten! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilli Beck
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legt er seine Hand auf meinen Arm. Seine graublauen Augen flackern unsicher. «Kommst du zurück?»
    Stumm starre ich ins Leere.
    «Rosy, bitte!»
    Wozu?, denke ich. Wenn er unschuldig wäre, hätte er mich längst zu Hause aufgesucht! Er hätte mich um Verzeihung bitten und nichts unversucht lassen müssen, mich zurückzuerobern. Aber er hat sich nicht blicken lassen. Genau diese Situation habe ich schon mal vor zweieinhalb Jahrzehnten erlebt. Ich war ihm damals und auch heute nicht die Mühe wert. Stattdessen taucht er hier auf. Ich frage mich, wer ihn eingeladen hat.
    «Bitte, Rosy», wiederholt er eindringlich. «Gib mir eine Chance, dir alles zu erklären. Glaub mir, es ist alles nur ein Missverständnis.»
    Aber etwas in seinem aufrichtigen Blick und seiner weichen Stimme verunsichert mich. Anscheinend meint er es ehrlich. Und je länger er mir in die Augen sieht, umso unsicherer werde ich und fühle auch die alte Vertrautheit wieder. War mein kopfloses Weglaufen im Hotel vielleicht doch übertrieben? Könnte es tatsächlich eine Erklärung für das Auftauchen seiner Ex und die Sirene im Hotel geben? Doch einen Wimpernschlag später wird meine Aufmerksamkeit auf eine Blondine gelenkt, nach der sich alle umdrehen. Kein Wunder. In dem hautengen, postgelben Schlauchkleid mit bauchnabeltiefem Ausschnitt ist sie auffälliger als eine blinkende Neonschrift auf nächtlicher Landstraße.
    Die fleischgewordene Lüge steuert direkt auf uns zu. Wer diese
Dame
eingeladen hat, ist logisch.
    Ich falle in einen Gefühlsabgrund, schimpfe mich eine unverbesserliche Romantikerin, ein gutgläubiges Schaf, ein blindes Huhn. Betrüger ändern sich eben nicht!
    Ich bereue zutiefst, ihm auch nur eine Minute meiner Zeit geopfert zu haben. Aber ich schlucke meinen Zorn hinunter und werfe ihm stattdessen seinen eigenen Spruch hin. «Reden wird oft überschätzt!», sage ich kühl und beeile mich zu entkommen.
    Dem blonden Gift möchte ich nämlich unter gar keinen Umständen begegnen. Zudem steht mir der Sinn auch nicht danach, die Tolerante zu spielen und fröhlich mit meiner jüngeren Nachfolgerin zu plaudern. Diese Disziplin hat mich genug Kraft gekostet, als ich Ruth kennenlernte. Aber damals fühlte ich mich verpflichtet, mich der Kinder wegen nicht wie eine hysterische Ziege zu benehmen.
    «Es war ein Fehler hierherzukommen, ein großer, großer Fehler», knurre ich beim Slalom durchs Gewühl vor mich hin.
    Suse empfängt mich mit fragendem Blick. «Was ist los, Rosy? Wieso kommst du so spät?» In ihren Worten schwingt Verwunderung mit. Verspätungen ist sie nicht von mir gewohnt. Wenn wir verabredet sind, warte ich normalerweise auf sie.
    Ich entschuldige mich, umarme meine Freundin und gratuliere ihr ganz herzlich. «Liebe Suse: Möge der Laden immer so gut besucht sein wie heute und die Kasse überquellen.»
    «Danke, Rosy, das hoffe ich natürlich auch», entgegnet sie mit einem Blick auf die Gästeschar. «Aber schätzungsweise ist heute die Hälfte der Anwesenden nur Partyhopper und nicht ein potenzieller Kunde darunter.»
    Mit gesenktem Kopf konzentriere ich mich ganz auf Suses Geplauder und vermeide jeglichen Blickkontakt mit den Gästen. «Ich glaube an deinen Erfolg», beruhige ich sie. «Mach dir keine Sorgen. Der Laden ist ein Juwel im Umkreis von zehn Kilometern. Außerdem habe ich dir deine erste Kundin mitgebracht!»
    Suse zieht mich hinter eine spiegelverkleidete Tür, wo sich die Kaffeeküche verbirgt. Ein fensterloser, schlauchartiger Raum, an dessen rechter Seitenwand ein hoher Stehtisch mit zwei Hockern zum Verweilen einlädt. Eine Hängelampe über dem Tisch verbreitet warmes Licht. An der schmalen Stirnseite befindet sich ein eingebautes Spülbecken, daneben zwei altmodische schwarze Herdplatten.
    «Du sprichst aber nicht von der aufgetakelten Blondine, die dein John mitgeschleppt hat?», fragt sie, während sie aus dem Regal über der Spüle zwei Gläser und aus dem Kühlschrank eine Flasche Prosecco holt. «Dem habe ich übrigens keine Einladung geschickt, in der Annahme, du würdest ihn sowieso mitbringen», erklärt sie beim Einschenken.
    «Er ist nicht
mein
John und auch nicht mein Begleiter. Ich bin mit Lotte hier, meiner Exschwiegermutter. Du hast sie ja letzte Woche im Vorbeilaufen gesehen.
Sie
beabsichtigt übrigens, deine Kasse klingeln zu lassen», antworte ich. «Du hast John also nicht eingeladen?»
    Suse schüttelt den Kopf. «Nein, ich dachte ja, du würdest ihn … Na egal, erzähl mir

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