Sie kam, sah und liebte
Spieler in Anzug und Krawatte auftauchten, als wären sie auf dem Weg ins Büro.
Plötzlich war ihr die Sicht verstellt; Jane hob den Blick und sah in das verwitterte Gesicht des Außenstürmers Rob »der Hammer« Sutter. Vornübergebeugt aufgrund der niedrigen Decke wirkte er noch furchteinflößender als gewöhnlich. Sie kannte noch nicht alle Gesichter der Chinooks, aber Rob gehörte zu den Typen, die man sich leicht merken konnte. Er war etwa einsneunzig groß, ein einschüchterndes Muskelpaket von 115 Kilogramm. Zurzeit trug er einen ausgefransten Ziegenbart am Kinn und ein herrliches Veilchen unter einem grünen Auge. Er hatte sein Jackett ausgezogen, die Hemdsärmel hochgekrempelt und die Krawatte gelockert. Sein braunes Haar schrie nach einem Friseur, über seiner Nasenwurzel klebte ein weißes Pflaster. Er warf einen Blick auf die Aktentasche in dem Sitz neben Jane.
»Darf ich mich einen Moment zu dir setzen?«
Jane gab es nur äußerst ungern zu, aber große, kräftige Kerle machten sie schon immer ein bisschen nervös. Sie nahmen so viel Platz ein und gaben ihr das Gefühl, klein und verletzlich zu sein. »Äh, klar.« Sie griff nach den Lederriemen ihrer Tasche und stellte sie vor ihre Füße.
Rob rammte seinen mächtigen Körper in den Sitz neben ihr und deutete auf die Zeitung in ihrer Hand. »Hast du den Artikel gelesen, den ich geschrieben habe? Auf Seite sechs.«
»Noch nicht.« Jane fühlte sich ein wenig beengt, als sie Seite sechs aufschlug. Ein Foto von Rob Sutter sprang ihr ins Auge. Er hielt irgendeinen Typen im Schwitzkasten und boxte ihn ins Gesicht.
»Das bin ich, wie ich Rasmussen in seiner ersten Saison die Fresse poliere.«
Sie warf Rob einen Seitenblick zu und betrachtete sein Veilchen und seine gebrochene Nase. »Warum?«
»Hatte ’nen Hattrick gemacht.«
»Ist das denn nicht seine Aufgabe?«
»Klar, aber meine Aufgabe ist es, ihm das Leben schwer zu machen.« Rob zuckte mit den Schultern. »Damit er ein bisschen nervös wird, wenn er mich kommen sieht.«
Jane hielt es für klüger, ihre Meinung über seine Aufgabe für sich zu behalten. »Was ist mit deiner Nase?«
»Bin einem Hockeyschläger zu nahe gekommen.« Er wies auf die Zeitung. »Was sagst du dazu?«
Sie überflog den Artikel, der gar nicht schlecht geschrieben war.
»Meinst du, ich hab im ersten Graf das Leserinteresse geweckt ?«
»Graf?«
»Das ist Journalistensprache für Paragraf oder Absatz.«
Sie kannte die Journalistensprache. »›Ich bin nicht nur der Punching Ball‹«, las sie laut vor. »Das hat mein Interesse geweckt. «
Rob lächelte und zeigte dabei eine Reihe schöner weißer Zähne. Jane hätte gern gewusst, wie oft sie ihm schon ausgeschlagen und neu eingesetzt worden waren. »Hat mir großen Spaß gemacht, das zu schreiben«, sagte er. »Wenn ich mich zur Ruhe setze, schreibe ich vielleicht hauptberuflich Zeitungsartikel. Vielleicht kannst du mir ein paar Tipps geben.«
Einen Fuß in die Tür zu kriegen war leichter gesagt als getan. Ihr eigener Einfluss war alles andere als groß, aber sie wollte Rob nicht den Spaß verderben, indem sie ihm die Wahrheit sagte. »Wenn ich kann, helfe ich dir gerne.«
»Danke.« Er zog eine Brieftasche aus der Gesäßtasche, öffnete sie und zog ein Foto heraus. »Das ist Amelia«, sagte er und gab ihr die Aufnahme, die ein an seiner Brust ruhendes Baby zeigte.
»Sie ist ja winzig! Wie alt ist sie?«
»Einen Monat. Ist sie nicht das süßeste Ding, das du je gesehen hast?«
Jane dachte nicht daran, dem Hammer zu widersprechen. »Sie ist hinreißend.«
»Lassen wir wieder mal Babyfotos herumgehen?«
Jane hob den Kopf und blickte in ein Paar brauner Augen, das sie über die Sitzlehne vor ihnen beobachtete. Der Mann reichte ihr ebenfalls ein Foto. »Das ist Taylor Lee«, sagte er. »Sie ist zwei Jahre alt.«
Jane betrachtete das Bild eines Kleinkinds, so kahlköpfig wie der Typ, der es ihr gegeben hatte, und sie fragte sich, wieso manche Leute glaubten, alle Welt wäre ganz versessen darauf, Bilder von ihren Kindern zu betrachten. Die Augen, die sie über den Sitz hinweg musterten, erkannte sie erst, als Rob ihr einen Hinweis zukommen ließ.
»Sie hat eine entsetzliche Glatze, Fishy. Wann kriegt sie denn endlich Haare?«
Bruce Fish, der zweite Verteidiger, erhob sich halb und nahm sein Foto wieder an sich. Auf seiner Glatze spiegelte sich das Licht, während ein zottiger Bart seine untere Gesichtshälfte bedeckte. »Ich war bis zu meinem fünften
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