Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sie kam, sah und liebte

Sie kam, sah und liebte

Titel: Sie kam, sah und liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gibson Rachel
Vom Netzwerk:
sicher. »Sag die Wahrheit. Sehen meine Lippen verschmiert aus?«
    »Nein.«
    »Zu groß?« Sie musste zugeben, dass es irgendwie Spaß machte, sich zu schminken. Was nicht hieß, dass sie bereit gewesen wäre, es jeden Tag zu tun. Möglichst nicht allzu oft.
    »Nein.« Marie warf das Papierhandtuch in den Abfallkorb. »Ich finde dein Kleid toll.«
    »Ich hab’s bei Nordstrom gekauft.«
    »Ich meines auch!«
    Sie reichte Marie den Lipgloss. »Meine Freundin hat mir beim Aussuchen geholfen. Mit Farben habe ich kein gutes Händchen.«
    »Ich habe meines selbst ausgesucht, aber Luc hat’s bezahlt. «
    Wenn das der Fall war, dann fragte sie sich, warum Luc seine Schwester ein Kleid kaufen ließ, das ihr zu klein war. Natürlich sagte sie das nicht, sondern: »Das ist nett von ihm.« Im Spiegel sah sie, dass Marie etwas zu viel Gloss auf ihre Lippen strich. »Wohnst du in Seattle?«
    »Ja, ich wohne bei Luc.«
    Schock Nummer drei an diesem Abend. »Tatsächlich? Das muss die Hölle sein! Ist das eine Strafe für irgendeine Missetat ?«
    »Nein, meine Mom ist vor anderthalb Monaten gestorben. «
    »O nein.« Jane wurde es eng in der Brust. »Das tut mir Leid. Ich wollte nur witzig sein, aber nicht etwas so Unsensibles von mir geben. Ich komme mir richtig blöd vor.«
    »Schon gut.« Marie schenkte Jane ein kleines Lächeln. »Und es ist auch nicht immer die Hölle, mit Luc zusammenzuleben. «
    Jane nahm das Kosmetiktübchen wieder an sich und schaute Marie an. Was sollte sie sagen? Am besten nichts. Sie versuchte es trotzdem. »Meine Mutter ist gestorben, als ich sechs Jahre alt war. Das liegt jetzt vierundzwanzig Jahre zurück, aber ich weiß …« Sie unterbrach sich, suchte nach den richtigen Worten. Sie fand sie nicht. »Ich weiß, was für eine Leere es im Herzen zurücklässt.«
    Marie nickte und senkte den Blick auf die Schuhe. »Manchmal kann ich es einfach nicht fassen, dass sie für immer fort ist.«
    »Ich kenne das Gefühl.« Jane ließ die Tube in ihre Tasche gleiten und legte Marie den Arm um die Schultern. »Falls du mal das Bedürfnis hast, mit jemandem darüber zu reden, kannst du dich gern an mich wenden.«
    »Das wäre vielleicht nicht schlecht.«
    Tränen glitzerten in Maries Augenwinkeln, und Jane drückte sie leicht an sich. Vierundzwanzig Jahre waren vergangen, aber Jane erinnerte sich noch sehr deutlich an die Gefühle, die so dicht unter der Oberfläche lagen. »Aber nicht heute Abend. Heute Abend wollen wir uns amüsieren. Ich habe eben ein paar von Hugh Miners Neffen kennen gelernt. Sie kommen aus Minnesota, und ich glaube, sie sind in deinem Alter.«
    Marie tupfte ihre Augen mit den Fingerspitzen ab. »Sind das scharfe Typen?«
    Darüber musste Jane nachdenken. Wenn sie in Maries Alter wäre, würde sie vielleicht so denken, aber sie war nicht in Maries Alter, und es bereitete ihr Unbehagen, heranwachsende Jungen als scharf zu bezeichnen. Sie glaubte beinahe, den alten Song »Mrs. Robinson« in ihren Ohren zu hören. »Na ja, sie leben auf einer Farm«, erklärte sie, als sie den Waschraum verließen. »Ich glaube, sie melken Kühe.«
    »Igitt.«
    »Nein, das bedeutet nur, dass sie ganze Kerle sind, und soweit ich es beurteilen kann, riechen sie nicht nach Stall.«
    »Gut.«
    »Sehr gut.« Jane warf Marie über die Schulter hinweg einen Blick zu. »Mir gefällt dein Lidschatten. Er glitzert so schön.«
    »Danke. Du kannst ihn dir gern mal ausleihen.«
    »Ich fürchte, ich bin ein bisschen zu alt für glitzernden Lidschatten. « Jane nahm den Arm von Maries Schulter, als sie sich durch die Menge schlängelten. Sie fand Hugh Miners Neffen an den Fenstern, wo sie den Panoramablick genossen, und stellte den beiden Halbwüchsigen Marie vor. Jack und Mac Miner waren Zwillinge und siebzehn Jahre alt; sie trugen identische Smokings mit scharlachrotem Kummerbund. Sie hatten kurz geschnittene Igelfrisuren und große braune Augen, und Jane musste zugeben, dass sie irgendwie süß waren.
    »In welcher Klasse bist du?«, fragte Mac, oder war es Jack?
    Ihre Wangen röteten sich, sie zog die Schultern hoch. Wenn Jane Marie ansah, waren die Erinnerungen gleich wieder präsent, diese grauenhafte Unsicherheit der Pubertierenden. Sie dankte Gott, dass sie das nie wieder durchmachen musste.
    »In der Zehnten«, antwortete Marie.
    »Wir waren letztes Jahr in der Zehnten.«
    »Ja, auf den Zehntklässlern hacken alle herum.«
    Marie nickte. »Zehntklässler schmeißen sie bei uns in die Müllcontainer.«
    »Bei uns

Weitere Kostenlose Bücher