Sie kamen bis Konstantinopel
Erfolge gebührend zu begießen.
»Stell dir vor, sogar eine verfallene Kapelle ist dabei«, erklärte Kallinikos kopfschüttelnd, als der Wein vor ihnen stand. »Die will Urso für seinen Heiligen einrichten!«
»Welchen Heiligen?«, verwunderte sich Pelagia.
»Ach, das weißt du noch nicht?« Urso senkte die Stimme. »Den Paulus-Schüler Epaphrodites. Ich habe ihn aus Damaskus mitgebracht.«
»Du hattest Reliquien im Gepäck?«
»Nun ja, nicht so richtig. Die paar Knöchelchen gingen leider bei dem Gewitter verloren. Aber dafür habe ich eine prächtige, vom Patriarchen von Damaskus gesiegelte Urkunde, die die Echtheit bestätigt.«
Pelagia legte den Kopf schief. »Lass mich raten. Der Patriarch war sehr beschäftigt, da musstest du …?«
»So ist es!«, strahlte Urso. »Aber auch an Knochen mangelt es nicht. Im Westen der Stadt, bei der St. Mokios-Kirche, liegen viele alte Friedhöfe. Da braucht man nur nachts etwas zu graben.«
»Oh Gott«, seufzte Pelagia, »ich fürchte, das bringt Unglück. Pass wenigstens auf, diesmal keine Ziege zu erwischen.«
»Sei unbesorgt«, erklärte Urso selbstzufrieden und hob den Zeigefinger. »Ein fröhliches Herz tut dem Leib wohl, aber ein betrübtes Gemüt lässt das Gebein verdorren.« Er nahm einen tiefen Zug aus dem Becher. »So sagt der weise Salomo, wie du sicher schon erraten hast.«
»Ich hatte es befürchtet. Und was willst du dann mit deinem Heiligen anfangen?«
»Er kommt in einen schönen, alten Sarkophag. Ich habe schon einen gekauft. Es müssen nur noch oben und unten Löcher hineingebohrt werden.«
»Löcher?«
»Kleine Löcher. So kann man Öl hineingießen, das unten wieder herausläuft. Anschließend wird es in Fläschchen abgefüllt und als wundertätig verkauft.«
»Und davon lebst du?« Pelagia wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte.
»Nicht sofort. Zuerst muss sich der Ruf meines Heiligen in der ganzen Stadt verbreiten. Deshalb arbeite ich gerade an seiner Lebensbeschreibung!« Jetzt glich Urso einer stolzen Mutter, die ihr Kind vorführt. »Mächtige, den Glauben stärkende Wunder lasse ich ihn wirken. Genau das, was die Leute verzweifelt ersehnen. Weißt du, Konstantinopel hat einfach zu wenige Märtyrer. Und nun, da die Sarazenengefahr schlimmer denn je droht …«
»Ja, ja, ich verstehe«, unterbrach ihn Pelagia kopfschüttelnd und wandte sich an Kallinikos. »Und du?«
»Die Zeiten sind schwer«, brummte der Kahlkopf. »Aber irgendein Adeliger wird schon einmal einen neuen Palast brauchen.« Damit verstummte er und starrte wieder in den Weinbecher.
Alle drei schwiegen eine Zeitlang, in der jeder seinen eigenen Gedanken nachhing.
»Jetzt müsste ich nur wissen, bei welcher noblen Familie Irene Dienst tut«, seufzte Urso zuletzt, »ihr wisst schon, das Mädchen von der Fähre.«
Pelagia nickte mitfühlend.
Zurück in ihrer Dachstube fand sie keinen Schlaf, da sich im Nebenraum ein Paar lautstark liebte und sie schmerzlich daran erinnerte, wie lange sie schon die Zärtlichkeit eines Mannes entbehren musste. Sie begann, über ihr Leben nachzudenken und über das, was es noch bringen mochte. Als die Lustschreie erneut einsetzten, stand sie auf. Wütend entzündete sie eine Kerze, hämmerte gegen die dünne Wand und beschloss, nun alles auf Sieg zu setzen. Gleich morgen würde sie sich ein Haus suchen, es einrichten, Diener anheuern und prächtige Kleider kaufen. Nach der Audienz, dessen war sie sich gewiss, würden alle Geldsorgen ein Ende haben. Im Kerzenschein entfaltete sie die Flottenpläne, überlegte, wie sie dem Kaiser gegenüber auftreten musste, was sie sagen würde, sah im Geiste alles vor sich, bis sie schließlich die knisternden Pergamentbögen erneut in der Ledertasche verstaute und sich schlafen legte.
Am nächsten Morgen wurde sie von Peitschengeknall, muhenden Kühen, Ziegengemecker und Schafsgeblöke aus dem Schlaf gerissen. Auf dem Theodosiusforum fand der große Viehmarkt statt, zu dem die Tiere per Schiff gebracht und dann durch die Straßen getrieben wurden. Pelagia rümpfte die Nase. Wirklich höchste Zeit, eine angemessene Bleibe zu finden! Sie versperrte die Zimmertüre mit dem Vorhängeschloss, das sie dafür gekauft hatte, stieg die drei Holztreppen hinunter und kaufte ein frisch duftendes Brot in der nahen Bäckerei. Da ein böiger Wind durch die engen Gassen fegte, hüllte sie sich in ihren Kapuzenmantel und durchstreifte die Stadt.
Doch es war gar nicht so leicht, etwas zu finden, das ihren
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