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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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und stöhnte auf, »weh mir Unwürdigem! In selbiger Nacht obsiegte Satan mehrfach, so dass ich erschöpft liegen blieb, bis mich die geschminkte Alte aus dem Bett zerrte.«
    »Und dann?«
    »Sodann geschah Schreckliches!«, erklärte der Gyrovage mit aufgerissenem rechtem Auge. »Als man mich zum Ausgang führte, kam aus dem Inneren des Sündenpfuhls ein überaus hübsches nacktes Mädchen gerannt, das ich schon einmal auf der Fähre gesehen hatte. Ihr Gesicht war tränenüberströmt, die roten Locken zerzaust und der Körper von Striemen gezeichnet. Doch bevor sie das Tor erreichen konnte, packten sie zwei Männer, hielten ihr den Mund zu und schleppten die sich Sträubende wieder zurück in die Finsternis.«
    »Worauf du sie sicher befreien wolltest?«
    »Nein, als Christ liegt mir Gewalt fern. Aber leider waren die anderen offenbar übelste Heiden, denn als ich gehen wollte, forderten zwei kräftige Männer Geld von mir. Vergebens erklärte ich ihnen, dass ich nicht wegen fleischlicher Begierden dort gewesen sei und keinen einzigen Follis im Beutel hätte. Da schwangen die Unholde die Fäuste wider mich, traten mich in äußerst empfindliche Körperteile und warfen mich die Stufen hinunter auf die Straße. So litt ich um Christi willen. Wie findest du das?«
    »Schrecklich«, erwiderte Pelagia, von einer plötzlichen Unruhe erfüllt. »Wo liegt dieser Ort?«
    »Nicht weit, du musst nur dieser Straße nach Süden folgen, über das Tetrapylon hinaus Richtung Julianshafen. Aber warum …?«
    Die Frage hörte Pelagia schon nicht mehr, denn sie war bereits losgelaufen. Ob sie Urso noch in der Herberge antreffen würde? Beim Tetrapylon bog sie nach rechts, rannte die Mese entlang, bahnte sich ihren Weg durch die Menge, stolperte beinahe über einen hinkenden Krüppel. Kurz vor dem Theodosiusforum hallten auf einmal Rufe über die Straße, Menschen flüchteten unter die seitlichen, von Säulen gestützten Vordächer. Zu ihrem Glück wurde Pelagia mitgerissen, denn wenig später trampelte eine laut muhende Kuhherde über das Pflaster, gefolgt von wild gestikulierenden Viehhändlern. Der Wind trieb Rauchschwaden zwischen den Häusern hindurch, ein alter Bauer zerrte zwei Ziegen hinter sich her. Nun flog der Schreckensruf »Feuer! Feuer!« von Mund zu Mund. Mit jedem Schritt wurde der Rauch dichter, so dass Pelagia nur noch mühsam vorankam. Als sie endlich in die Gasse bog, an deren Ende die Herberge lag, wurde der Rauch über ihr vom Flammenschein blutrot gefärbt. Neben ihr bildeten Männer eine Kette, Eimer gingen von Hand zu Hand, Wasser spritzte auf das Pflaster, doch alle Bemühungen wirkten kläglich angesichts des brausenden Infernos.
    Pelagia wusste, dass Konstantinopel keine Quelle besaß, so dass alles Wasser aus riesigen, unterirdischen Zisternen geholt werden musste – von denen keine in der Nähe lag! Ein Mann mit rußverschmiertem Gesicht stieß sie zurück, als sie sich weiterdrängen wollte. Pelagia schrie ihn an, ging mit den Fäusten auf ihn los, doch dann sah sie, dass sie zu spät kam. Schon züngelten Flammen aus den oberen Fenstern der Herberge, während die Bäckerei dahinter nur noch ein einziger glosender Scheiterhaufen war.
    Von Seitenstechen gepeinigt, lehnte sie sich an eine Häuserwand. Hustenanfälle schüttelten ihren Körper und die Tränen, die ihr über die Wangen liefen, hatte ihr nicht nur der Rauch in die Augen getrieben. Dort oben, unter dem Dach, verbrannten ihr letzten Solidi, die goldene Halskette, die Flottenpläne, ihre Hoffnung. Es war aus! Sinnlos die kaiserliche Audienz, für die sie alles gewagt hatte. Sinnlos ihr weiteres Leben. Sie sackte zusammen, von Weinkrämpfen geschüttelt.
    »Pelagia, steh auf!« Der Mann mit dem rußgeschwärzten Gesicht stand vor ihr, und jetzt erkannte sie, dass es Urso war. »Du musst weg, das Feuer kann jederzeit überspringen.«
    Pelagia ließ sich hochziehen und die Gasse entlangführen, weg von dem lodernden Brand. Ihr Fuß schmerzte wieder, sie versuchte nicht mehr wie sonst, ihr Hinken zu verbergen. »Habt ihr euch alle retten können?«, fragte sie keuchend.
    »Ja, alle. Das Feuer begann in der Bäckerei. Wir haben versucht, deine Sachen aus der Kammer zu holen. Doch die Türe war versperrt. Dann wurde der Rauch immer dichter, da musste ich aufgeben. Es tut, mir so leid. War Wertvolles drin?«
    »Nein«, sagte Pelagia, »nichts Wichtiges«, um leise hinzuzufügen, »nur meine ganze Hoffnung.«
    Dann fielen die ersten Tropfen und kurz

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