Sie kamen bis Konstantinopel
Ansprüchen genügte. Verfallene und verlassene Häuser gab es zwar reichlich, aber die hätten erst einmal in monatelanger Arbeit bewohnbar gemacht werden müssen. Dafür war alles Annehmbare mit Flüchtlingen überfüllt oder allenfalls zu Wucherpreisen erhältlich. Am Ende fand sie eine Wohnung südlich der Markianssäule, die in einer Woche frei werden würde. Zusätzlich zu dem überhöhten Mietzins verlangte der Besitzer Bezahlung für sechs Monate im Voraus, doch in ihrer Verzweiflung willigte Pelagia ein und legte drei Goldstücke auf den Tisch. Danach suchte sie einen Schneider auf, bestellte noch mehrere Gewänder, bezahlte diese ebenfalls mit einem Solidus und wanderte anschließend unter den säulengestützten Vordächern des Domninusportikus entlang. Bei den Silberschmieden blieb sie hängen, nahm immer wieder eine Reliefschale mit der personifizierten Darstellung Indiens in die Hand, ließ ihre Finger über die nackte Brust der Figur gleiten, über die fein gearbeiteten Pfauen und Affen. Einen Augenblick war sie versucht, ihre letzten fünf Solidi zu holen, die sie noch in ihrer Kammer versteckt hatte, doch dann reichte sie schweren Herzens dem Händler den Silberteller zurück. Bald, wenn ich genügend Geld habe, dachte sie und ging weiter zu den Salbenverkäufern, wo sie zum Trost eine wohlriechende Gesichtssalbe erstand. Sie ließ sich einen Bronzespiegel geben, um sich die Nase gegen den kalten Wind einzureiben, als sie eine Männerstimme hörte.
»Schöne Frau, hat Gott uns nicht schon einmal zusammengeführt?«
»Nicht, dass ich wüsste«, entgegnete sie knapp, da sie derlei Anbahnungsversuche in den letzten Tagen nur zu oft hatte abwehren müssen. Doch im Spiegel erkannte sie hinter sich Makarios, den langhaarigen Gyrovagen, der schon auf der Fähre ihre Nähe gesucht hatte. Sein linkes Auge war zugeschwollen, seine Lippe aufgeplatzt. Von plötzlichem Mitleid erfüllt, fertigte sie ihn nicht sogleich ab, sondern erkundigte sich, wie es ihm ergangen sei und ob er schon Gelegenheit gehabt habe, seine Glaubensstärke unter Beweis zu stellen.
»Oh ja«, seufzte er und verdrehte das heile Auge, »gerade letzte Nacht beliebte es dem Herrn, mir schwerste Prüfungen aufzuerlegen.«
»Das sieht man, du Ärmster«, bedauerte ihn Pelagia, »was ist dir denn zugestoßen?«
»Gestern Abend, nachdem ich mich mit Wein gestärkt hatte, gedachte ich, den verruchtesten Lasterpfuhl der Stadt aufzusuchen: Das Hurenhaus am Hafen. Ich erkannte es gleich, erhob sich doch davor eine mit Stoff umwickelte Säule, die eine Statue der verabscheuungswürdigen Aphrodite trug. Dort standen lüstern dreinblickende Frauen, die mit Vorbeikommenden um den Preis der Sünde feilschten.«
»Worauf du mit abgewandtem Blick, ein Gebet auf den Lippen, vorbeigeeilt bist?«
»Leider gestattete es meine Pflicht nicht, diesen leichten Weg zu wählen. Ich trat vielmehr näher, ermahnte sie zur Umkehr und pries die Freuden der Enthaltsamkeit. Vergebens!« Makarios stöhnte. »Eine ältere, stark geschminkte Frau, die das Sagen zu haben schien, zog mich unter süßen Worten in das Haus. Heute weiß ich, dass dies Satan in einer seiner Verkleidungen gewesen sein muss, doch gestern …«
Er zuckte mit den Schultern. »Wir gelangten in eine säulengestützte Halle, die durch aufgehängte Teppiche in kleine Verschläge aufgeteilt war, worin sich jeweils ein Bett befand. Die Frau tätschelte meine Wange und meinte, ich solle mich schon einmal hinlegen. Obgleich ich beteuerte, dass dies ein schreckliches Missverständnis sei, lachte sie nur und schubste mich auf die Liege. ›Gleich kommt ein hübsches Mädchen‹, versprach sie. Daraufhin blieb ich, um dieses unbekannte Wesen in seinem Elend nicht alleine zu lassen.«
»Das war edel gedacht«, warf Pelagia ein, mühsam das Lachen unterdrückend.
Makarios nickte düster. »Wenigstens eine Seele, die mich versteht. Kurz danach huschte eine kurzbeinige Frau mittleren Alters herein, ließ schamlos die Hüllen fallen und schmiegte sich an mich. Ich schlug die Hände vor die Augen und versuchte, ihr zu erklären, dass fleischliche Lüste von Übel seien, dass ich über derartigen Versuchungen stünde, dass ich nur gekommen sei, zur Umkehr zu mahnen – vergebens. Gerüstet mit den Waffen der Geistesverwirrung, machte sich das teuflische Wesen an meiner Körper zu schaffen, bis der böse Geist die Oberhand gewann. Weh mir«, bei diesen Worten schlug sich Makarios mit den Fäusten an die Brust
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