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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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halboffenem Mund anstierte. Die Augenbrauen unter der niedrigen Stirne waren zusammengewachsen, die Hände glichen riesigen Pranken. Ihre Gedanken rasten wie die Wagen in der Rennbahn. Was hätte Theodora gewagt, um ihr Ziel zu erreichen? Hämischen Chronisten zufolge alles, wahrhaft alles …
    Pelagia senkte den Blick. Oghuz widerte sie an. Vierundzwanzig Stunden in seiner Gewalt, das wären vierundzwanzig Stunden Hölle. Trotzdem – es war ihre einzige Chance. Und noch war es nicht soweit.
    So nickte sie. »Wann sollen wir spielen?«
    »Heute Abend«, kicherte Demetrios und rieb sich vergnügt die Hände, »gleich heute Abend, mein Täubchen!«
    ***
    Als die Sonne sank, ließ sich Pelagia in einer gemieteten Sänfte zum Chalke-Tor bringen. Sie trug ihre goldene Halskette, ihr Haar duftete nach Rosenwasser und diesmal durfte sie sofort passieren. Kurz darauf betrat sie Demetrios' Privatgemächer. Die Wände waren mit Teppichen behangen; in der Mitte des Raumes standen zwei Sessel, dazwischen ein Tisch aus Ebenholz, in dessen Platte Perlmutteinlagen schimmerten. Durch ein geöffnetes Fenster glänzten die Wogen des Propontismeeres im Abendlicht. Doch war kein Fischerboot zu sehen – wahrscheinlich lauerten wieder sarazenische Piraten in der Nähe.
    »Nimm Platz. Etwas Wein?«, riss Demetrios Sopran sie aus ihren Gedanken.
    Pelagia nickte lächelnd. Wenn der Mann glaubte, sie betrunken machen zu können, so würde er bitter enttäuscht werden. Demetrios schenkte auch sich ein und tat einen tiefen Zug, während sie nur an ihrem Becher nippte. Der Eunuch holte die Spielfiguren aus einem Elfenbeinkästchen, stellte sie bedächtig auf und nahm einen Würfel.
    »Möge Fortuna bestimmen, wem der erste Zug gebührt.«
    Hackend rollte der Würfel über die dunkle Oberfläche. Kam auf einer Perlmuttblume zum Stillstand. Fünf Augen.
    »Streng dich an!« Der Mann rieb sich kichernd die Hände. »Oghuz wartet schon im Nebenraum!«
    Pelagia fühlte, wie ihre Hand zitterte. Ihre Bewegung war so heftig, dass der Würfel beinahe über den Rand des Tisches gerollt wäre.
    Demetrios stand halb auf, sah nach. »Auch fünf!«, stellte er nüchtern fest. »Nun, dann gewähre ich meinem bezaubernden Täubchen den Vortritt.«
    Nach kurzem Überlegen machte sie den ersten Zug. Sie hatte sich für eine klassische Eröffnung entschieden, da sie ihren Gegner nicht kannte und erst einmal seine Spielstärke prüfen wollte. Demetrios reagierte rasch, strich sich mit dem Zeigefinger über die Nasenseite. »Wenn ich bitten darf.«
    Die nächste Zeit verging mit einsilbigen Bemerkungen. Anfangs spielte Demetrios vorsichtig, wurde jedoch schnell kühner, aggressiver. Pelagia konterte seine Angriffe, trank mit ihm, wenn er sie aufforderte, doch immer maßvoll. Plötzlich nahm er ihr einen Bauern, der auf einer exponierten Position stand. Die Folge war ein rascher Schlagabtausch, nach dem Pelagia zu ihrem Schrecken feststellte, dass sich ihre Position verschlechtert hatte.
    »Oghuz, wir machen Fortschritte!«, rief der Eunuch fröhlich, wobei er in die Hände klatschte.
    Pelagia zuckte zusammen. Wenn er sie aus der Fassung bringen wollte …
    »Bereitet es Euch eigentlich Vergnügen, bei etwas zuzusehen, wozu Ihr selbst nicht in der Lage seid?«, entgegnete sie in harmlosen Ton und bemerkte zufrieden, wie seine Augen klein und scharf wurden.
    »Oh ja«, erwiderte er mit gespielter Ruhe, »das ist wie beim Wagenrennen. Die Zuschauer genießen das auch mehr als die Pferde. Aber ich würde natürlich gerne deine Eindrücke erfahren – anschließend, sobald du wieder dazu in der Lage bist …«
    »Danke für die Rücksichtnahme.« Pelagia setzte eine Figur.
    Demetrios rieb sich die Nase. »Aus deiner etwas leichtherzigen Reaktion entnehme ich …«, er machte seinen Zug, um dann bedeutungsschwer fortzufahren, »dass ich wohl bedauerlicherweise versäumt habe, etwas zu erwähnen.«
    »Und das wäre?«, fragte Pelagia, während sie nachzudenken versuchte.
    »Dass Oghuz manchmal etwas ungestüm sein kann. In dem großen Hurenhaus am Hafen ist ihm deswegen leider der Zutritt verwehrt. Seitdem er die kleine Armenierin so rangenommen hat, dass …« Er kicherte böse. »Du verstehst …«
    Pelagia ballte unter dem Tisch die Faust, dass sich die Nägel in den Handballen gruben. Der Schmerz lenkte sie ab. Sie betrachtete die Schatrandsch-Figuren, entdeckte eine mögliche Schwachstelle in der feindlichen Stellung.
    »Ausgezeichnet. Ich vertrödele meine

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