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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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darauf setzte ein wolkenbruchartiger Regen ein, der sie in wenigen Augenblicken bis auf die Haut durchnässte, doch zugleich verhinderte, dass sich das Feuer weiterfraß.
    Urso gelang es, eine Sänfte zu beschaffen, und brachte sie in das Haus, das er mit Kallinikos zusammen gekauft hatte. Die leeren Räume rochen nach Schimmel, feuchtem Staub und Mäusekot, doch sein Freund, so versicherte Urso, würde alles herrichten – »und jetzt noch schneller; da wir eine Dame zu Gast haben!«
    Pelagia nickte nur und ließ sich auf eine Liege sinken. Sie zog ihre Geldbörse hervor: Ein Dutzend Kupferstücke – genug für eine Woche Eintopf, dieses Armengericht aus Sellerie, Lattich, Auberginen und Steckrüben; sonntags angereichert mit einem Stück Pökelfleisch. In sechs Tagen könnte sie ihr eigenes Haus beziehen, die bereits bezahlten Festgewänder abholen – und betteln gehen. Oder in dem alten Stadtpalast Zuflucht suchen, in dem, wie sie gehört hatte, hochgestellte Ehefrauen und Witwen Unterkunft fanden, die, wie man es höflich umschrieb, nicht enthaltsam leben wollten.
    Da schoss ihr etwas durch den Kopf, das sie völlig vergessen hatte. Sie rief Urso und berichtete ihm von ihrer Begegnung mit dem Gyrovagen.
    »Oh Gott, ich muss los … ich muss sie freikaufen!«, stotterte der Mann, als sie geendet hatte und fuhr sich erregt durch die dunklen Locken.
    »Hast du denn genügend Solidi?«, wandte Pelagia vorsichtig ein. »Sie ist ein sehr hübsches Mädchen. Zehn bis fünfzehn brauchst du sicher.«
    »Nein«, antworte er niedergeschlagen, »fast meine ganzen Barschaft steckt in dem Haus. Auch das Pergament für die Lebensgeschichte, die Ausstattung der Kapelle – alles ist teuer. Dabei habe ich noch nicht einmal die Knochen!« Er setzte sich neben sie und dachte angestrengt nach. »Ich könnte Männer anheuern, das Hurenhaus überfallen, das Mädchen befreien – was meinst du?«
    Pelagia schüttelte entschieden den Kopf. »Kein guter Gedanke. Die stecken mit dem Statthalter unter einer Decke und haben sicher ihre eigenen Schlägertrupps. Und was machst du, wenn sie dich verfolgen?«
    »Du hast Recht. Ich werde sobald als möglich auf den Friedhof gehen. Danach kann ich anfangen, den Ruhm meines Heiligen zu verbreiten. Und wenn ich ausreichend Solidi habe, kaufe ich Irene frei!«
    »Hast Du eigentlich nie an ehrliche Arbeit gedacht?«, lächelte Pelagia.
    »Soll ich hundert Jahre lang als Tischler schuften?« Urso zuckte mit den Schultern. »Kallinikos ist wenigstens Baumeister. Du und ich dagegen, was können wir denn schon?«
    Da hatte er allerdings recht, musste Pelagia sich eingestehen, und wieder überfiel sie das Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Den ganzen folgenden Tag saß sie teilnahmslos in dem verlassenen Haus herum. Am Ende beschloss sie, am Sonntag in die Hagia Sophia Kathedrale zu gehen, wo ein besonderer Bittgottesdienst abgehalten werden sollte. Dazu musste sie zwar die halbe Stadt durchqueren, doch hoffte sie, der Prunk der Kathedrale würde sie aus ihren trüben Gedanken reißen. Außerdem hieß es, dass nicht nur der Patriarch Johannes höchstselbst die Messe zelebrieren würde, auch Kaiser Konstantinos sollte teilnehmen. So könnte sie ihn wenigstens einmal sehen, denn mit leeren Händen würde sie gewiss nicht zur Audienz erscheinen.
    ***
    Der Wind trieb graue Wolken über den Himmel, als sich Pelagia einige Tage später auf den Weg machte. Sie überquerte den runden Platz mit der Markianssäule, folgte der großen Straße, bis diese in die Mese mündete, und erreichte schließlich die Hagia Sophia. Im säulenumgebenen Vorhof standen schon schwatzende Gruppen, begrüßten sich Freunde und hoben Bettler fordernd ihre Schälchen. Pelagia gewahrte den Gyrovagen, der gestenreich auf einen wohlhabend aussehenden Mann einredete, doch wollte sie ihm lieber nicht begegnen und eilte in die Vorhalle. Nach einem Blick auf das noch geschlossene Mittelportal, das erst später für den Kaiser geöffnet werden würde, stieg sie zu der den Frauen zugewiesenen Galerie empor und beugte sich über die Brüstung. Wie beim ersten Mal verharrte sie eine Weile – überwältigt von der ungeheuren Weite des Raumes mit seinen symmetrisch aufgeschnittenen Marmorplatten an den Wänden, den glitzernden Deckenmosaiken, die das Licht unzähliger Lämpchen tausendfach gebrochen widerspiegelten, dem Prunk des goldenen Altars und dem schweren Duft des Weihrauchs. Bald füllte sich die Kirche, schritt der Kaiser in seiner

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