Sie kamen bis Konstantinopel
der neben ihm stand. »Wollt Ihr nun kaufen oder nicht?«
»Ich sage ja nichts gegen die Qualität, Petros«, antwortete sie beschwichtigend in einem Griechisch, dem kaum jemand angemerkt hätte, dass es nicht ihre Muttersprache war. »Nur über den Preis müssen wir noch reden …«
»Wir reden schon viel zu lange!«, grollte der Korallentaucher, dem es sichtlich widerstrebte, mit einer Frau feilschen zu müssen, auch wenn sie noch so anziehend aussehen mochte. Doch Pelagia blickte ihr Gegenüber nur freundlich an, ohne sich anmerken zu lassen, wie es in ihr zuging. Sie brauchte diesen Handel noch dringender als der Taucher, der seine ständig wachsende Familie ernähren musste. Schon fünf Jahre saß sie nun auf dieser Insel fest, ohne ihrem Ziel auch nur ansatzweise näher gekommen zu sein. Am Kaiserhof führte sie nicht mehr als eine geduldete Randexistenz, und seit die Sarazenen vor zwei Jahren erneut die Provinz Africa überfallen hatten, war auch von ihrer Familie kein Lebenszeichen mehr nach Syrakus gelangt, so dass selbst dieser Rückweg versperrt zu sein schien.
Immerhin: Als die mitgebrachten Goldstücke zur Neige gegangen waren, hatte ihr das Schicksal die Hand in Gestalt eines Juweliers gereicht. Sie war rein zufällig in seinem Laden gewesen, um sich Ohrringe anzusehen, die sie sich, wie sie wusste, doch nie würde leisten können, als ein reisender Händler dem beschäftigten Mann Korallen angeboten hatte. Ohne Hintergedanken hatte Pelagia sich eingemischt, mindere Ware aussortiert und dem Juwelier zu einem vorteilhaften Kauf verholfen. Als er daraufhin wissen wollte, woher diese Kenntnisse stammten, hatte sie ihm erzählt, dass sie in Karthago viele Stunden im Laden von Samuel verbracht hatte. Einem alten, einige Jahrzehnte zuvor unter Kaiser Herakleios zwangsgetauften Juden, der damals gerne bereit gewesen war, dem lebhaften Mädchen zu zeigen, worauf es bei der Beurteilung von Korallen und edlen Steinen ankam. Mit diesem Wissen hatte es Pelagia geschafft, für den Juwelier in Syrakus die Einkäufe zu übernehmen. Dazu ritt sie, von einem Diener begleitet, zu den Küstendörfern, wobei ihr Verdienst davon abhing, wie günstig sie einkaufen konnte. Doch heute hatte sie weder die Zeit noch die Geduld, stundenlang zu feilschen, so dass sie zu einer neuen Taktik greifen musste.
Unter den aufmerksamen Augen des Tauchers nahm Pelagia ein Säckchen, füllte den größten Teil der Korallen hinein, verschnürte es mit einem Lederriemen und erhob sich.
»Petros«, sagte sie dann, »komm her.«
Mit misstrauischem Blick folgte der Mann ihrer Anweisung.
»Streck deine Hände aus«, bat sie ihn und entnahm ihrem Beutel einen Solidus. Als der Mann mit offenen Handflächen vor ihr stand, drückte sie ihm in die eine Hand die Goldmünze, in die andere den Korallenbeutel.
»Du hast Recht«, meinte sie gelassen, »wir wollen nicht lange feilschen. Gib mir eines von beiden zurück, aber überlege wohl!«
Mit diesen Worten wandte sie sich von ihm ab, als ginge sie der Handel nichts mehr an, und ließ ihren Blick über das friedliche Dorf schweifen, dessen einstöckige, weiß gekalkte Häuser sich den Hang hinabzogen. Die Bewohner waren vor Jahrzehnten aus Griechenland geflohen, um sich vor den eindringenden Sklavinoi-Horden in Sicherheit zu bringen. Ihre Fischerboote schaukelten im Hafen, dahinter erstreckte sich das azurblaue Meer, dessen Wellen kleine Schaumkämme trugen, die so weiß waren wie die Möwen, die kreischend am Himmel segelten. Im Dorf saßen Männer und flickten Netze neben Körben voller Schwämme. Alte Frauen stickten, auf der Treppe zu einer kleinen Kirche spielten Kinder Fangen. Im Schatten eines knorrigen Olivenbaums döste ein Hund, und der süßliche Duft von Glyzinienblüten mischte sich mit dem Salzgeruch des Meeres. Beim Anblick dieses Bildes beschaulicher Zufriedenheit spürte Pelagia einen Stich im Herzen, wurde von einem Gefühl des Neides erfüllt, Neid auf dieses einfache Glück, das ihr nicht vergönnt war.
Abrupt wandte sie sich um, musterte mit abschätzendem Blick den Taucher, der noch immer wie gelähmt auf seine Hände starrte, und mahnte ihn mit leicht spöttischem Unterton: »Petros, entscheide dich!« Sie wusste, dass es einfachen Menschen wie ihm fast unmöglich war, auf ein Goldstück zu verzichten, das bereits in seiner Hand glänzte. Darauf beruhte ihr Plan.
In diesem Moment zerriss ein Schrei die Stille, gefolgt von Getrampel, dem Splittern von Holz, dem Bellen
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