Sie kamen bis Konstantinopel
eines Hundes und dem Klirren von Waffen.
»Soldaten! Steuereintreiber!«, gellte eine angstverzerrte Stimme. Mit wehendem Kleid hastete eine junge Frau, ein Kleinkind im Arm, auf die Kirche zu, riss die Türe auf und verschwand im Inneren.
Im Nu füllte sich der Platz mit bewaffneten Männern, sie schienen aus jeder Seitengasse zu kommen und trieben die Dorfbewohner vor sich her. Spitze Helme glänzten in der Sonne, überragt von Spießen, die riesigen Insektenstacheln glichen, in der Mitte hielt einer eine Fahne mit den kaiserlichen Insignien empor. Ein Beamter, der eine fein gewebte Tunika trug, trat vor und gebot herrisch Ruhe. Mit lauter Stimme verlas er eine Erklärung, die besagte, dass die Bewohner des Ortes mit den Steuern im Rückstand seien, dass der Basileus zur Bekämpfung der Sarazenen eine Sonderabgabe verfügt habe, und dass alle Schulden unverzüglich zu begleichen seien.
»Hier, nimm!«, sagte Petros leise, mit bebender Stimme und gab Pelagia den Beutel mit den Korallen.
»Halt, was soll das?« Ein bärtiger Soldat, dem mehrere Vorderzähne fehlten, packte Petros so grob am Arm, dass dieser aufschrie und unwillkürlich versuchte, den Mann wegzustoßen.
»Nur Korallen, die ich gekauft habe«, versuchte Pelagia zu beschwichtigen – vergeblich. Mehrere Soldaten stürzten sich auf den Korallentaucher, schlugen mit Fäusten auf ihn ein und ließen erst von ihm ab, als er sich stöhnend am Boden krümmte.
»Der hier zuerst!«, wies der Mann in der Tunika seine Soldaten an und wandte sich den anderen Dorfbewohnern zu, die er mit undurchdringlicher Miene musterte.
Zwei Soldaten zerrten Petros' Sohn beiseite, der zu seinem Vater gelaufen war und sich unter verzweifeltem Rufen bemühte, dessen Kopf aufzurichten.
»Zwei Solidi!«, raunzte ein Blonder mit starkem langobardischem Akzent, wobei er seiner Forderung mit einem Stiefeltritt Nachdruck verlieh. Als er erneut mit dem Fuß ausholte, riss sich der Junge los und warf sich an das Bein des Soldaten. Der Mann schwankte, verlor das Gleichgewicht und kam fluchend zu Fall, scheppernd rollte sein Helm über die Steinplatten.
Die nächsten Augenblicke konnte Pelagia kaum erkennen, was rund um Petros vor sich ging, da sie von den Männern beiseite gedrängt wurde.
»Lasst mich durch!«, wiederholte sie immer wieder, bis sich endlich eine Gasse zwischen den gepanzerten Rücken öffnete. Petros stand schwankend in ihrer Mitte, gehalten von einem Söldner mit fehlenden Vorderzähnen. Blut lief aus seiner Nase, das Gewand war zerrissen. Seinen Sohn hatte der jetzt hockende Langobarde am Lockenschopf gepackt und schlug ihn immer wieder mit dem Gesicht auf den Boden, wobei er grinsend zählte. »Fünf, sechs, sieben …«
»Lass das!«, herrschte Pelagia ihn an. »Hör sofort auf!«
Der Mann hielt überrascht inne, hob den Kopf und musterte die schöne, junge Frau, die zornerfüllt auf ihn herabsah.
»Wer bist denn du?«
»Mein Name ist Pelagia, ich komme vom Hof des Basileus.« Sie strich sich eine Haarlocke aus der Stirne und gab sich Mühe, ihrer Stimme Autorität zu verleihen. »Wenn ihr nicht sofort aufhört, werde ich ihm berichten, wie ihr die Bürger seines Reiches misshandelt. Wie ist dein Name?«
»Mein Name? Den hab ich vergessen«, erwiderte der Soldat höhnisch.
Ein anderer, dessen dunkle Gesichtsfarbe den Afrikaner verriet, erklärte mit gespielter Höflichkeit. »Oh ja, Fürstin, er sagt die Wahrheit. Ich frage ihn fast jeden Tag. Aber ich denke, er heißt Maurikios!«
»Nein, das bin ich!«, nuschelte der mit den fehlenden Vorderzähnen und machte eine übertriebene Verbeugung. »Der da heißt Theodosios, da bin ich mir fast sicher.«
»Ach was, das kann nicht sein«, mischte sich ein dritter mit bitterernster Miene ein. »Theodosios war doch der, der letzte Woche eine Gräte verschluckt und sich zu Tode gehustet hat. Habt ihr ehrloses Pack etwa unseren Kameraden schon vergessen?« Er schniefte laut, als müsse er die Tränen zurückhalten. »Ich wenigstens erinnere mich an seinen Namen – und an meinen: Justinianos!«
»Natürlich, und das hier ist Kaiserin Theodora!«, rief ein langer, dürrer Soldat und zeigte auf Pelagia. »Habt Ehrfurcht vor der Fürstin, ihr ungehobeltes Pack!« Jetzt brandete grölendes Lachen durch die Runde. Die Männer hieben sich auf die Schenkel und prusteten immer wieder neue Namen heraus, wobei sie wechselseitig auf einander zeigten.
»Heraklios!« – »Basiliskos!« – »Christophoros!« –
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