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Sie kamen bis Konstantinopel

Sie kamen bis Konstantinopel

Titel: Sie kamen bis Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank S Becker
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Haus des Juweliers, das nicht weit vom kaiserlichen Palast lag. Sie wollte sofort dorthin reiten, um die Korallen zu übergeben, doch der Durchgang war gesperrt.
    »Platz für den Basileus!«, schallte die Stimme eines Ausrufers durch die Straßen. Auf Griechisch, denn in Syrakus, wie in vielen Städten Siziliens und des südlichen Italiens, war Latein nur die Muttersprache einer Minderheit, und selbst diese Untertanen des Kaisers verstanden meist die Sprache ihrer Herren. Die Menschen um Pelagia wichen hastig zurück, bis sie sich zuletzt Schulter an Schulter vor den Häusern drängten, die die Straße säumten.
    Jetzt hallten Stiefeltritte und Hufgeklapper durch die Straße. Eine Fahne mit dem goldenen kaiserlichen Adler auf purpurrotem Grund schwebte heran, emporgehalten von einem Standartenträger in glänzendem Kettenpanzer. Danach marschierte ein Dutzend Soldaten der Leibgarde, die Hände am Schwert – bereit, jede Widersetzlichkeit im Keime zu ersticken. Ihnen folgte der Kaiser auf seinem weißen, mit einer perlenbestickten Schabracke bedeckten Ross. Sein plumper Körper steckte in einer goldenen Rüstung, doch einen Helm trug er nicht. Sein sorgfältig frisierter Bart, der ihm den Spitznamen Pogonatos eingetragen hatte, hing über die Brust, während die spitz gezwirbelten Schnurrbartenden wie Stacheln zur Seite standen. Sein kantiges Gesicht wirkte aufgequollen, der Mund schief, wie zu einem verächtlichen Lächeln verzogen. Rechts und links neben ihm schritten je zwei Soldaten, um ihn vom Volk abzuschirmen. Doch als auf Pelagias Seite einer stolperte und von seinem Kameraden aufgefangen werden musste, fasste sie blitzartig einen Entschluss. Mit wenigen Schritten hatte sie sich aus der Menge gelöst, war an den verblüfften Wachen vorbeigestürmt und hatte sich neben dem Pferd des Kaisers auf die Knie geworfen.
    »Gewährt mir die Gunst, Euch eine Bitte vortragen zu dürfen!«, rief sie.
    Der Kaiser zügelte ärgerlich sein Pferd. »Was soll das? Schafft sie weg!«, wies er seine Leibwache an.
    Pelagia fühlte, wie sie emporgerissen wurde. Ihr Blick streifte die purpurnen Schuhe, die in bronzenen Steigbügeln steckten, flog über den mit seidenem Tuch bekleideten Körper, bis zuletzt ihre Augen die des Mannes trafen, der mit gerunzelter Stirne auf die lästige Bittstellerin herabsah.
    »Halt!« Der Kaiser hob mit einem Mal die Hand, als die Soldaten das Mädchen wegzerren wollten. »Dieses hübsche Gesicht kommt mir bekannt vor.« Er beugte sich zu ihr herab. »Was begehrst du?«
    »Nichts für mich …«, brachte Pelagia mühsam heraus, »nur Gnade. Gnade für einen Eurer Untertanen!«
    Der Kaiser strich sich nachdenklich über den Bart, schließlich nickte er. »Gut. Komm übermorgen Abend, kurz vor Sonnenuntergang.« Er wandte sich an einen Höfling, der hinter ihm ritt. »Sorg dafür, dass diese Frau vorgelassen wird!« Während Pelagia vor Glück nicht wusste, wie ihr geschah, fügte er leise, mit einem undurchsichtigen Lächeln hinzu: »Sie könnte etwas Abwechslung in unser Gastmahl bringen!« Anschließend setzte sich der Zug wieder in Bewegung.
    Pelagia sah ihnen wie betäubt nach. Endlich klopfte sie sich energisch den Staub vom Kleid und setzte gedankenversunken ihren Weg zum Juwelier fort. Nur eine Straße weiter gewahrte sie eine vertraute Gestalt.
    »Patricius!« Ihr Herz machte einen Sprung, als er sich umdrehte, sie erkannte und sein jungenhaftes Lächeln aufblitzte.
    Die junge Frau befahl dem Diener, die Maultiere in den Stall zu führen, und lief zu dem Priester, so schnell sie sich durch die Menschen drängen konnte.
    »Pelagia, wo kommst du denn her?«, begrüßte er sie besorgt, als er ihre zerzausten Haare und in Unordnung geratene Kleidung bemerkte.
    »Ich war auf Reisen, Korallen einkaufen«, stieß sie hervor, senkte dann die Stimme. »Ich muss mit dir sprechen. Heute Abend. An einem Ort, wo wir ungestört reden können …«
    »Komm nachher in die Bibliothek des Bischofs«, antwortete er nach kurzem Überlegen. »Ich muss dort noch einige Urkunden ausfertigen.«
    ***
    An diesem Frühjahrsabend wurde es zeitig dunkel, da sich eine graue Wolkenbank vor die sinkende Sonne geschoben hatte. Windstöße wirbelten Staub durch die engen Gassen, ließen Holzläden klappern und zerrten an den Kleidern der Menschen, die nach Hause eilten. Pelagia hatte sich ein Kopftuch umgebunden, das auch ihr Gesicht weitgehend verbarg, und einen Wollmantel angezogen. Mit gesenktem Kopf kämpfte sie sich

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