Sie kamen bis Konstantinopel
»Anastasios!« – »Makarios!«
Mit hochrotem Kopf stand Pelagia da, die Fäuste geballt, unfähig, auch nur einen Satz herauszubringen. Nichts wünschte sie jetzt sehnlicher, als Patricius bei sich zu haben. Der tatkräftige Ire hätte es gewiss verstanden, mit diesem Pack umzugehen. Sie war im Gefolge des Kaisers mit ihm nach Syrakus gekommen, doch seitdem hatten sie sich nur unregelmäßig gesehen. Als Beauftragter des Papstes hatte er die zahlreichen Besitzungen der Kirche auf Sizilien inspiziert, über die Bestrafung entlaufener Sklaven gerichtet, die Abrechnungen der Verwalter überprüft und manchen Betrug aufgedeckt. Auch wenn Pelagia die Wichtigkeit der Aufgabe verstand – schließlich hing von dem Ertrag der Güter die Versorgung der Armen Roms ab –, so dachte sie doch manchmal, dass die Berufung eines Priesters eigentlich eine andere sein müsse. Vor allem tat es ihr leid, dass sie so wenig Zeit füreinander fanden, denn außer zu ihm hatte sie zu niemandem am Kaiserhof Vertrauen gefasst. Sie hatte ihn sogar vor ihrem Aufbruch gefragt, ob er nicht etwas in der Nähe des Fischerdorfes zu erledigen hätte, so dass er sie begleiten könne, doch er hatte nur bedauernd den Kopf geschüttelt.
»Bezahlst du jetzt deine Schuld?«, drang die grobe Stimme des Beamten in ihre Gedanken, gefolgt von dem gepeinigten Stöhnen des Tauchers.
»Ja, Judex, ich habe etwas Geld im Beutel … dazu einen Solidus.« Petros öffnete seine zur Faust geballte Rechte … und starrte fassungslos auf die leere Handfläche. »Mein … wo ist mein Geld?«
Plötzlich schrie er wie ein Wahnsinniger über den Platz. »Mein Gold, wer hat mein Gold gestohlen?«
»Sei still!«, fuhr ihn der Beamte an. Dann wandte er sich mit hochgezogenen Augenbrauen an die herumstehenden Soldaten. »Hat einer von euch den Solidus dieses braven Mannes?« Schweigen und Kopfschütteln waren die Antwort. »Niemand von euch christlichen, dem Basileus ergebenen Streitern hat etwas gefunden?« Der Spott war unüberhörbar, als er sich wieder Petros zuwandte. »Du siehst: Kein Solidus. Und auch sonst nichts!« Jäh schnellte seine Rechte vor und fasste den Taucher am Brustteil seiner Tunika. »Schluss mit den Ausflüchten. Du zahlst, oder …«
Mit fahrigen Bewegungen kramte Petros verzweifelt in seinem Geldbeutel und förderte eine Handvoll Kupfermünzen zutage, die der Beamte kaum eines Blickes würdigte.
»Reicht nicht. Der Steuerliste zufolge bist du schon lange im Rückstand. Wir müssen deinen Sohn mitnehmen!«
Eine Handbewegung, und zwei Soldaten griffen ruppig den Jungen, banden den sich Sträubenden und zerrten ihn vom Platz, während Petros, der sich im Klammergriff von vier Männern wand, aufheulte. »Nein, nicht als Sklaven verkaufen, nicht meinen Sohn, ihr elendes Pack …«
Wie betäubt sah Pelagia zu, erfüllt von einer Mischung aus Wut, Angst und Scham. Wut über die Rohheit der Söldner, Angst, ihren Zorn zu erregen, und Scham über ihre eigene Feigheit. Doch die Blicke, die einige der Männer ihr zugeworfen hatten, ließen keinen Zweifel daran, was sie mit ihr machen würden, sollte sich eine Gelegenheit ergeben. So beobachtete sie machtlos, wie ein Soldat aus der Kirche kam, das goldene Altarkreuz in der Rechten und den silbernen Abendmahlskelch in der Linken, wie andere die Häuser plünderten und sich das Häuflein der Elenden vergrößerte, deren Schicksal der Sklavenmarkt sein sollte.
Als Pelagia sich endlich nach ihrem Diener umwandte, fand sie ihn nirgends. Erst nach längerem Suchen entdeckte sie zwei angstgeweitete Augen, die zwischen den silbrigen Blättern eines Olivenbaums herabspähten. Sie fuhr ihn barsch, doch ohne Vorwürfe an, die Maultiere zu satteln. Schweigend machten sie sich auf den Heimweg.
***
Drei Tage später ritten sie über die Brücke, die zu der Insel Ortygia führte, auf der sich alles drängte, was in Syrakus wichtig war. Hier lagen der Palast, in dem seit fünf Jahren der Kaiser residierte, und die Gebäude des Hofstaates. Hier befanden sich die Münze und das Lagerhaus mit den aus Rom hergeschleppten Bronzen, hier erhob sich der alte Tempel, der vor einigen Jahren zur Maria Theotokus geweihten Domkirche umgebaut worden war. Vor allem aber sprudelte hier die Arethusaquelle, welche die vom Meer umspülte Stadt mit Trinkwasser versorgte. Am Ende der Insel, auf einem spitzen Ausläufer, bot die Festung des Kastrums Schutz vor Angriffen feindlicher Flotten.
Pelagia bewohnte ein kleines Zimmer im
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