Sie kamen nach Bagdad
irgendetwas für Sie tun, Sir? Ist etwas nicht in Ordnung?«
»Mr Shrivenham, es hat sich eine entscheidende Änderung meiner Pläne ergeben. Ich kann doch auf Diskretion zählen, nicht wahr?«
»Oh, vollkommen, Sir.«
»Ich war lange Zeit nicht mehr in Bagdad. Die meisten Hotels liegen am anderen Ufer, nicht wahr?«
»Ja, Sir. In der Rashid Street.«
»Mit dem rückwärtigen Teil zum Tigris?«
»Ja.«
»Was wissen Sie von einem Hotel, das Tio heißt?«
»Oh, eine Menge Leute gehen dorthin. Das Essen ist gut und es wird von einem köstlichen Original namens Markus Tio geführt. Er ist geradezu eine Institution in Bagdad.«
»Ich möchte, dass Sie mir für heute Abend dort ein Zimmer bestellen, Mr Shrivenham.«
»Sie wollen sagen – dass Sie nicht in der Botschaft bleiben?«
Shrivenham blickte nervös und ängstlich drein. »Aber – aber – es ist alles disponiert, Sir.«
»Was disponiert ist, kann umdisponiert werden«, schnauzte Sir Rupert ihn an.
»Oh, gewiss, Sir. Ich wollte damit nicht sagen …«
Shrivenham brach ab. Er hatte das dunkle Gefühl, dass irgendjemand ihm in Zukunft dafür eine Rüge erteilen würde.
»Ich habe einige heikle Verhandlungen zu führen und ich höre, dass ich sie hier nicht führen kann. Ich brauche auch einen Platz im Flugzeug, das übermorgen nach Kairo fliegt.«
Shrivenham machte eine betretene Miene.
»Aber ich dachte, Sie würden fünf Tage bleiben, Sir – «
»Das ist nicht mehr der Fall. Ich muss unbedingt nach Kairo, sobald meine Angelegenheiten hier erledigt sind. Ich wäre hier nicht mehr sicher.«
»Sicher?«
Sir Ruperts Gesicht wurde plötzlich durch ein grimmiges Lächeln verwandelt. Sein Ton, den Shrivenham mit dem eines preußischen Wachtmeisters verglichen hatte, änderte sich. Der Charme des Mannes trat plötzlich zutage.
»Ich gebe zu, dass ich gewöhnlich auf meine Sicherheit nicht so bedacht bin«, sagte er. »Aber in diesem Fall muss ich nicht nur meine eigene Sicherheit in Betracht ziehen – meine Sicherheit schließt auch die Sicherheit einer Menge anderer Leute ein. Also treffen Sie diese Dispositionen für mich. Wenn Flugtickets schwer zu haben sind, machen Sie die Priorität geltend. Bis ich heute Abend von hier fortgehe, bleibe ich in meinem Zimmer.«
Als Shrivenham der Mund vor Staunen offen blieb, fügte er hinzu: »Offiziell bin ich krank. Malariaanfall.«
Shrivenham nickte.
»Also werde ich kein Essen brauchen.«
»Aber wir können Ihnen doch etwas heraufschicken.«
»Vierundzwanzig Stunden Fasten macht mir nichts aus. Ich habe auf manchen meiner Reisen oft länger gefastet. Machen Sie genau, was ich Ihnen sage.«
Unten wurde Shrivenham von seinen Kollegen begrüßt und stöhnte als Antwort auf ihre Fragen: »Lauter Räuberpistolen. Ich kenne mich mit dem Aufschneider nicht recht aus – ob alles echt ist oder gespielt. Ein Kerl, der eines seiner Bücher gelesen hat, sagte mir, dass er all diese Sachen tatsächlich gemacht hat und an all diesen Orten war, aber ich weiß nicht … Ich wollte, Thomas Rice wäre hier, er würde sich auskennen. Dabei fällt mir ein, was ist Scheele-Grün oder Scheeles Grün oder so …?«
»Scheele-Grün?«, sagte sein Freund stirnrunzelnd. »Es ist giftig und hat etwas mit Tapeten zu tun. Es ist eine Form von Arsenik.«
»Wirklich«, sagte Shrivenham und machte große Augen. »Ich dachte, es sei eine Krankheit. Etwas wie Amöbendysenterie.«
»O nein, es ist etwas Chemisches, womit die Frauen ihre Männer umbringen und umgekehrt.«
Shrivenham war wieder in betroffenes Schweigen versunken. Ihm wurde plötzlich einiges klar. Crofton Lee hatte in der Tat angedeutet, dass Thomas Rice, Referent der Botschaft für Orientalische Angelegenheiten, nicht an Gastroenteritis litt, sondern an Arsenvergiftung. Außerdem hatte Sir Rupert angedeutet, dass sein eigenes Leben in Gefahr sei, und sein Entschluss, weder Speise noch Trank, die in der britischen Botschaft kredenzt wurden, zu sich zu nehmen, erschütterte Shrivenhams britische Beamtenseele zutiefst.
10
V ictoria, die den heißen Staub einatmete, gewann einen ungünstigen Eindruck von Bagdad. Vom Flughafen bis zum Hotel Tio waren ihre Ohren einem ununterbrochenen Lärm ausgesetzt gewesen. Autohupen tuteten mit einer Hartnäckigkeit, die einen zur Raserei bringen konnte, es wurde geschrien und gepfiffen. Dazu kam ein ständiger leiser, rieselnder Unterton, nämlich Mrs Hamilton Clipps Geplapper. Im Hotel Tio wurden sie von einem sehr dicken
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