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Sie kamen nach Bagdad

Sie kamen nach Bagdad

Titel: Sie kamen nach Bagdad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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stand noch tief am Himmel. Immerhin leuchtete er genug, um Victoria den Weg zu zeigen. Sie kroch die Treppe hinunter in den Garten und schlängelte sich durch die Palmbäume bis zu einem Loch in der Gartenmauer. Victoria kam auf eine schmale Dorfstraße hinaus, die sie durcheilte, so schnell sie konnte.
    Sie gelangte bald auf einen weiten Platz mit einem lehmigen Strom, über den sich eine verfallene, holprige Brücke spannte. Jenseits der Brücke führte eine Art Straße oder Pfad scheinbar in die Unendlichkeit. Victoria lief und lief, bis sie außer Atem war.
    Links, rechts und vor ihr war kahler steiniger Boden, unbebaut und ohne Anzeichen menschlicher Behausungen. Es war etwas Geheimnisvolles, Grauen erregendes in dieser ungeheuren Einöde, aber sie konnte nicht umkehren, sie konnte nur weiterirren.
    Als die Dämmerung endlich anbrach, taten Victoria die Füße weh, sie war erschöpft und am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Ein wenig abseits der Straße lag vor ihr ein kleiner, gedrungener Hügel oder Buckel. Victoria verließ den Pfad und lenkte ihre Schritte dem Hügel zu. Seine Hänge waren ziemlich steil, und sie kletterte auf den Gipfel. Von hier aus hatte sie einen Überblick über die Gegend und ihr Gefühl sinnloser, panischer Angst kehrte zurück. Hier und da sah man ein paar dunkle Flecken struppigen, schütteren Grases und einige vertrocknete Dornbüsche. Aber man sah nirgends bebaute Felder, noch irgendwelche Anzeichen von menschlichem Leben.
    Sie war im Augenblick viel zu fertig, um weiterzugehen. Sie war auch fürchterlich durstig, aber dagegen war nichts zu machen. Das Beste war, beschloss sie, sich am Hügelhang niederzulegen. So konnte sie einen Wagen kommen hören und wenn sie sich flach in eine kleine Schlucht legte, die sich in den Hang eingefressen hatte, konnte sie erspähen, wer im Wagen war. Sie trug noch den zerfetzten arabischen Mantel und hüllte sich jetzt in seine Falten.
    Sie musste unbedingt in die Zivilisation zurück, und so weit sie sehen konnte, gab es dazu nur eine Möglichkeit: ein Auto mit Europäern anzuhalten und bitten, mitgenommen zu werden. Aber sie musste auch sicher sein, dass die Europäer die richtigen Europäer waren. Und wie in aller Welt sollte sie sich davon überzeugen?
    Darüber nachgrübelnd schlief Victoria, von ihrem langen Marsch und allem, was sie durchgemacht hatte, erschöpft, völlig unerwartet ein.
    Als sie erwachte, stand die Sonne senkrecht über ihrem Kopf, und sie fühlte sich schwindlig, heiß und verkrampft. Der Durst war jetzt eine Höllenqual. Victoria stöhnte, aber im selben Moment straffte sie sich plötzlich und lauschte. Sie hörte schwach, aber deutlich Motorengeräusch. Sie hob sehr vorsichtig den Kopf. Das Auto kam nicht aus dem Dorf, sondern aus der entgegengesetzten Richtung. Das bedeutete, dass es sie nicht verfolgte. Vorläufig war es nur ein schwarzes Pünktchen weit weg auf dem Weg. Vorsichtig in Deckung bleibend, beobachtete Victoria, wie es näher kam. Es verschwand einige Minuten in einer Senke und tauchte wieder auf, als es über eine nahe Steigung fuhr. Im Wagen saß ein arabischer Chauffeur und neben ihm ein Mann in europäischer Kleidung.
    Was sollte sie tun? Es war furchtbar, einen solchen Entschluss so schnell fassen zu müssen. Wenn es der Feind war, war es das Ende. Aber wenn es nicht der Feind war, war es vielleicht ihre einzige Chance, am Leben zu bleiben. Denn wenn sie weiter umherirrte, würde sie wahrscheinlich vor Durst und Erschöpfung zu Grunde gehen. Was sollte sie tun? Während sie sich, vor Unschlüssigkeit gelähmt, duckte, veränderte sich der Klang des herannahenden Wagens. Sie hörte ihn stehen bleiben und dann das Zuschlagen einer Tür, als jemand ausstieg. Dann sagte jemand etwas auf Arabisch. Weiter geschah nichts, bis plötzlich ein Mann in Sicht kam. Er ging um den Hügel herum und bis zur halben Flöhe hinauf. Seine Augen waren auf den Boden gerichtet, als würde er etwas suchen, und ab und zu bückte er sich, um etwas aufzuheben. Was immer er suchte, es war offensichtlich nicht Victoria Jones. Überdies war es unverkennbar ein Engländer. Mit einem Ausruf der Erleichterung stand Victoria mühsam auf und ging auf ihn zu. Er hob den Kopf und starrte sie verblüfft an.
    »Oh, bitte«, sagte Victoria, »ich bin so froh, dass Sie gekommen sind.«
    Er starrte sie noch immer an.
    »Wer in aller Welt – «, begann er. »Sind Sie Engländerin? Aber …«
    Mit einem plötzlichen Lachen warf Victoria den

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