'Sie können aber gut Deutsch'
Zuwanderung einem Intelligenztest zu unterziehen; ein Vorschlag, auf den zu reagieren die Bundesregierung sogar für nötig erachtete.
Die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer (CDU) kündigte an, der Staat wolle künftig Integrationsvereinbarungen mit Neuzuwanderern schließen. Die SPD schlug vor, ein Bundesministerium für Bildung und Integration zu schaffen. Der Bürgermeister des so genannten Problembezirks Berlin-Neukölln Heinz Buschkowsky (SPD) sowie Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) forderten eine Kita-Pflicht für Kinder.
Und das Ende der Geschichte? Auch mehr als ein Jahr nach dieser Debatte, nach diesen – in den Medien – teilweise viel diskutierten Vorschlägen wurde kein einziger von ihnen umgesetzt. Sie mögen nicht alle sinnvoll sein, manche sind sogar auf absurde Art unnütz, wie zum Beispiel der, die deutsche Sprache ins Grundgesetz aufzunehmen, um Integration zu fördern, aber selbst diese wurden nicht durch neue oder bessere ersetzt. Sie wurden einfach nicht weiter verfolgt, verschwanden in Zeitungsarchiven, und alles blieb beim Alten.
»Die Politik« ermahnt andere gesellschaftliche Akteure, sich für Integration zu engagieren, Vertrauen zwischen den Menschen herzustellen, bestehende Regelungen stärker durchzusetzen. Doch sind diesen Akteuren häufig die Hände gebunden, weil sie ohne das Eingreifen des Staates, ohne seine
Unterstützung nicht viel ausrichten können. Lehrer klagen über mangelnde Ausbildung im interkulturellen Bereich. Polizisten klagen über zu wenige Migranten in ihrer Behörde. In der Integrationsarbeit aktive Kulturvereine klagen über fehlende oder gestrichene Zuschüsse. Jugendämter und Justizverwaltungen klagen über mangelndes Personal, um Jugendlichen zu helfen, die beispielsweise in kriminell orientierten Familienclans aufwachsen. Der Zentralrat der Muslime klagt über fehlende Gelder für die präventive, politische Bildung junger Muslime sowie für mögliche Aussteigerprogramme für Extremisten. Dies sind konkrete Probleme, die konkreter Lösungen, nicht Worthülsen bedürfen. Der Staat ist derjenige, von dem diese Lösungen kommen müssen. Und die Politiker müssen sich darauf konzentrieren, zu tun anstatt zu reden, um eine noch verheerendere Stimmung in diesem Land als die jetzige zu verhindern, zu der sie sich so wortgewandt äußern. Denn die würde die tatsächlich vorhandenen Probleme, die heute noch durch Taten zu lösen wären, nur weiter potenzieren.
Fehlt es der Politik an eigenen, innovativen, praxisorientierten Ideen, täte sie gut daran, die bereits vorhandenen Ideen anderer gesellschaftlicher Akteure aufzugreifen, sie (finanziell) zu unterstützen und weiter zu verbreiten. So bildet die Diakonie Wuppertal zum Beispiel bereits seit 2002 so genannte Sprach- und Integrationsmittler aus, Menschen, die selbst eine Migrationserfahrung hinter sich haben, die damit verbundenen Gefühle und Schwierigkeiten kennen und nun Neuankömmlingen bei ihren Behördengängen helfen sollen. Sie können dolmetschen und bei soziokulturellen Fragen vermitteln, sie können – ein wenig zumindest – verhindern, dass es zu Missverständnissen zwischen deutschen Beamten und den Neuzuwanderern kommt. Der Verein HIPPY – Home Instruction for Parents of Preschool Youngsters – ermöglicht
Hausbesuche bei so genannten bildungsfernen Eltern von Kindern im Vorschulalter. Sie bekommen zuhause anhand konkreter Materialien wie Geschichtenbüchern und geometrischen Formen 15-minütige Übungen gezeigt, mit denen sie ihre Kinder fördern können. So wird nicht nur den Kindern ein einfacherer Schulstart ermöglicht, sondern werden auch deren Eltern von Anfang an in ihre Bildungskarriere mit einbezogen, ohne sie damit zu überfordern. Projekte wie dieses gibt es in Deutschland zuhauf. Sie werden in den meisten Fällen von Kirchen, Stiftungen, Vereinen und anderen Einrichtungen finanziert, selten vom Staat. Dies wäre aber das Mindeste, was ein Staat tun kann, der von solchen Einrichtungen, von all seinen Bürgern fordert, sich für mehr Verständnis zwischen den Menschen einzusetzen.
Es geht nicht darum, dass die Integrations- oder Migrationspolitik der vergangenen Jahre und Jahrzehnte versagt hätte. Etwas, das kaum existiert, kann nicht versagen. Es geht darum, jetzt etwas zu tun, konkrete Gesetze und Regelungen durchzusetzen, damit der Rest der Gesellschaft wiederum seinen Teil zu Lösungen beitragen kann. Zum Beispiel das Problem der mangelnden
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