"Sie koennen aber gut Deutsch!"
gemeinsame, Migrationshintergrund? Eine durchgestrichene deutsche Fahne? Und was für eine Aussage wäre das dann? Ãtschi-bätschi, Du bist nicht schon seit Generationen deutsch, reih Dich bei denen mit dem Migrationshintergrund ein!
Ein Begriff, der auf eine so extreme Weise pauschalisiert, ist eine Erniedrigung. Was man auch daran sieht, dass ich noch nie jemanden mit Migrationshintergrund kennengelernt habe (Sie etwa?), der sich selbst so beschrieben hätte: »Hi, freut mich dich kennenzulernen! Ich bin der Abdullah, ich habe einen Migrationshintergrund.«
Die »Karrieristen«, die Aufsteiger unter uns »Migrationshintergründlern«, erkennt man am deutschen Pass. Wir steigen auf â aufgrund der Anzahl unserer hier verbrachten Lebensjahre, aufgrund unserer Sprachkenntnisse, unserer Arbeitsamkeit (und unserer Steuerzahlsamkeit), aufgrund der Fähigkeit, den 300 Fragen langen Einbürgerungstest zu bestehen, an dem viele »Biodeutsche« scheitern würden, aufgrund unseres offenen Bekenntnisses »zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland«. Wir steigen auf, indem wir zum Beispiel Fragen beantworten wie die, was man unter »Freizügigkeit« in Deutschland versteht, oder die, welche Organe zu den Verfassungsorganen in Deutschland gehören, oder die, was in einer deutschen »Hausordnung« steht. Wir steigen auf, indem wir unter anderem auf dem zehn Seiten langen, klein bedruckten
Einbürgerungsformular fein säuberlich, ordnungsgemäà und selbstverständlich grundehrlich ankreuzen, dass wir keiner radikalen Organisation angehören, auch der LINKEN nicht. Bei jeder einzelnen: ein Nein-Kreuz. Und dann sind wir Deutsche, deutsche Staatsbürger zumindest, und unsere Prämie: der deutsche Pass. Im Sprachgebrauch sind und bleiben wir aber: Deutsche mit Migrationshintergrund, was auch heiÃt: schon Deutscher, aber eben doch nicht ganz. Was auch heiÃt: So brav warst du, du Nicht-Deutscher, dass wir dir die deutsche Staatsbürgerschaft verliehen haben. Verliehen wie einen Orden, vielen herzlichen Dank. Ich bin jetzt beinahe einer von euch.
Man versuchte es also über Jahre und Debatten hinweg mit Ausländer und Migrant und Mensch mit Migrationshintergrund und anderen fragwürdigen Wortkonstruktionen. Sie sollten alle möglichst wertneutral klingen und keinerlei Assoziationen nach sich ziehen, aber die Assoziationen des Ausländers kamen uneingeladen bei jedem neuen Begriff mit. Sprachwissenschaftler bezeichnen ein solches Phänomen als Euphemismus-Tretmühle: Jeder Euphemismus wird früher oder später die negative Konnotation seines Vorgängerausdrucks annehmen, solange die äuÃeren Verhältnisse gleich bleiben. Solange sich also in unseren Köpfen die Assoziationen, die wir mit diesem Thema verbinden, nicht ändern, solange die Verhältnisse, die Atmosphäre dieselbe bleiben, wird der unangenehme Beigeschmack nicht verschwinden. Solange der Begriff auch mit Sozialschmarotzern, Kopftuchträgerinnen, Kriminellen gleichgesetzt wird â trotz veröffentlichter Studien, die diesen Assoziationen widersprechen â, wird es nicht gelingen, die Neutralität, die Objektivität zu wahren, die notwendig wäre, damit man sich als Träger dieses Begriffs nicht gedemütigt fühlt. Oder wie viele von Ihnen denken beim Begriff
Migrationshintergrund an Studien wie die von SINUS Sociovision, eines Heidelberger sozialwissenschaftlichen Instituts, das Milieu-Studien betreibt und unter anderem vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend damit beauftragt wurde, explizit Migranten-Milieus zu untersuchen und dabei zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der Anteil von Leistungsträgern unter Migranten höher ist als in der gesamtdeutschen Bevölkerung? Oder wenigstens an Aussagen wie diese: »Die groÃe Mehrheit der befragten Migranten will sich in die Aufnahmegesellschaft einfügen â ohne ihre kulturellen Wurzeln zu vergessen«, die das Resultat einer anderen Untersuchung sind? Und wie viele haben die Rütli-Schule in Neukölln im Kopf (natürlich nicht in ihrer neuen, reformierten Form, sondern als Problemschule der Republik von Terrorschülern mit Migrationshintergrund)? Jetzt mal ganz ehrlich â¦
Nun könnte man sagen: Ach bitte, es kann doch nicht nur um Begrifflichkeiten gehen, wichtig ist,
Weitere Kostenlose Bücher