"Sie koennen aber gut Deutsch!"
was geschieht. Aber Sprache ist etwas, das geschieht. Sprache ist der Spiegel unserer Gedanken, unserer Assoziationen, Sprache ist öffentlich und Ãffentlichkeit, und Sprache bewirkt. Sie bewirkt Reaktionen, Gefühle, zieht Handlungen und Konsequenzen nach sich. Sprache kann abgrenzen und ausschlieÃen, und Sprache kann wehtun. Denn neben dem negativen Beigeschmack hatten und haben all die Begriffe eines gemeinsam: Sie teilen ein. Machen ein »Wir« versus »Ihr« aus Deutschland. Machen auf die Unterschiede aufmerksam anstatt auf das Gemeinsame, auch wenn es innerhalb des »Ihrs« wahrscheinlich mehr Unterschiede gibt als zwischen »Wir« und »Ihr«. Wozu? Wer genau hat einen Nutzen von dieser, noch nicht einmal inhaltlich sinnvollen, weil pauschalisierenden Unterscheidung? Diese Abgrenzung reduziert uns alle auf eine Herkunft, für die wir letztendlich nichts können. Sie macht andere Konstellationen
von »Wir« und »Ihr«, wie zum Beispiel die »Wir Rockmusikliebhaber« versus »Ihr Leseratten« unmöglich, weil sie zwei Gruppierungen vorbildet, die zu verlassen unmöglich ist. Ich wüsste zumindest nicht, wie. Denn ich werde immer aus der ehemaligen Sowjetunion stammen.
Zudem vermittelt sie mir permanent das Gefühl, mich bedanken zu müssen. Mich dafür bedanken zu müssen, hier sein zu dürfen, nicht als gleichberechtigtes Puzzleteilchen dieses Landes, sondern als jemand, der eben hier sein darf . Hört das jemals auf? Es hat nicht mit dem deutschen Pass aufgehört, auch nicht mit den auf Deutsch geschriebenen Büchern, nicht den Preisen, die ich dafür erhalten habe, wann aber dann?
Ich bin übrigens nicht die Einzige, die auf der Suche nach einem neuen Namen zu sein scheint. Seyran AteŠhat den Begriff »Deutschländer« vorgeschlagen. Ich habe in Zeitungen auch schon »Multischland« und »Bunte Republik Neu-Schland« gelesen. Die taz hat kurz nach der Debatte um Thilo Sarrazin eine Umfrage gestartet, in der sie Prominente, aber auch Leser um Vorschläge für eine neue Bezeichnung für Migranten fragte. Unter den eingegangenen Vorschlägen waren: Antivergreisungshelfer, Kuckucksmenschen, Potenzielle Mitbürger, Neudeutsche, Panglobale Beute-Teutonen, Ausgrenzungsgefährdete, Meutsche, Migbürger, Von-wo-anders-Deutsche, Zweisprachler. Es waren Versuche dabei, den Wert der panglobalen Beute-Teutonen mit der Begriffswahl hervorzuheben wie mit Bereicherer oder Kulturbeweger, pragmatische Ausdrücke wie »präventive Genpoolerweiterungsmasse« oder »ethnisch gehandicapte Mitbürger«, zu lesen war in der Online-Umfrage aber auch: Kriminelle, Sozialschmarotzer, Untermenschen, Zurückzuführende, Auszuschaffende, Schnüffeldeutsche. Und einer schrieb: »Brauchen wir das?
Wir sollten das ersatzlos streichen. Mensch ist Mensch.« Ich blieb beim Lesen daran hängen, für einen Moment, ich mochte das auf den ersten Blick, schob den Autor auf den zweiten in die Naive-Gutmenschen-Schublade ab und ärgerte mich über mich selbst, dass ich darauf hereingefallen war. Erst auf den dritten Blick fiel mir auf, dass der naive Gutmensch, den ich nicht kannte und niemals kennenlernen würde, der mit groÃer Wahrscheinlichkeit auch gar keiner war, nichts weiter notiert hatte als eine Tatsachenfeststellung: Mensch ist Mensch. Unabhängig von seiner Herkunft, unabhängig aber auch von der Betitelung, die wir ihm verpassen.
Die Frage ist doch, was sagen all diese Begriffe über unsere Gesellschaft aus? Was für eine Gesellschaft, was für ein Land wollen wir sein? Wie definieren wir uns, wie sehen wir uns? Sehen wir uns zum Beispiel als eine Gesellschaft der Vielfalt? Vielfalt bedeutet, dass es viele gibt, und sie sind unterschiedlich, und das ist weder gut noch schlecht, das ist einfach so. Vielfalt schlieÃt Unterschiedlichkeiten aller Dimensionen ein, es geht nicht nur um die Herkunft, die Religion, das Geburtsland. Zu einer Gesellschaft der Vielfalt gehören auch Homo- und Heterosexuelle, Liberale und Linke, Porschebesitzer und überzeugte Fahrradfahrer. Vielfalt ist eine Herausforderung für jede Gruppe, für jede Gesellschaft. Vielfalt ist nicht nur schön, einfach, weil es vielfältig, weil es bunt ist. Vielfalt ist anstrengend und stellt eine Gesellschaft immer wieder vor Probleme, bedeutet, dass die Teilnehmer und Teilhaber dieser Gesellschaft Wege finden
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