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"Sie koennen aber gut Deutsch!"

"Sie koennen aber gut Deutsch!"

Titel: "Sie koennen aber gut Deutsch!" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Gorelik
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Skandals willens, und das Resultat ist: Das friedliche Zusammenleben, an dem viele Menschen viele Jahre lang bewusst und unbewusst hart gearbeitet haben, war vergiftet.
    Man kann von einer Gesellschaft in unserer multimedialen Welt nicht erwarten, dass sie ihre Realitätswahrnehmung unabhängig von den Bildern, die ihr die Medien vermitteln, entwickelt. Man kann, darf auf der anderen Seite auch nicht von den Medien erwarten, dass sie bestimmte Themen, um des Friedens in dieser Gesellschaft willen, in einem besonders positiven Licht darstellen. Das wäre ebenso verheerend wie die verzerrte negative Realitätsdarstellung, die wir seit Jahren im Zusammenhang mit dem Thema Migration in Deutschland erleben. Man kann aber durchaus von denkenden Journalisten, etwa Nachrichtenredakteuren, erwarten, dass sie Randphänomene nicht zur Realität aufplustern, dass sie sich beispielsweise häufiger mal fragen, ob der Migrationshintergrund eines Verdächtigen erwähnt werden muss und ob das nicht diskriminierend wirkt. Ob es sich nicht lohnen würde, die Ergebnisse von wissenschaftlichen Studien oder Beobachtungen von Experten abzudrucken, die zu dem Schluss kommen, dass die meisten »Menschen mit Migrationshintergrund« ein Leben
führen und Einstellungen haben, als hätten sie ebendiesen Migrationshintergrund nicht. Man wird von Medien- und damit Meinungsmachern wohl erwarten dürfen, dass sie erkennen, dass es an der Zeit ist, die gelebte Realität in diesem Land einzuholen und sich ernsthaft mit Vielfalt und Interkulturalität auseinanderzusetzen, anstatt billige Klischees zu vervielfältigen und mit den Ängsten der Menschen in diesem Land zu spielen.

Das Land der guten und der schlechten Ausländer
    Es hätte schlimmer kommen können, klar. Ich hätte ja auch, Gott oder Allah oder Welcher-Allmächtige-auch-immer behüte, Türkin sein können. Oder – schlimmer geht’s immer – aus »so einem anderen arabischen Land« kommen, aus einem, in dem man noch nicht einmal seinen Sommer-Pauschalurlaub verbringt, also praktisch direkt von Osama bin Laden abstammen/rekrutiert worden/mit ihm verheiratet sein können. So gesehen, lebt es sich als Russin – zumal mit dem Juden-Bonus – doch gar nicht so schlecht hier in Deutschland, das, so fühlt es sich als gebürtige Russin manchmal an, wohl ausschließlich das Land der »echten« Deutschen sein soll.
    Doch auch die Russen sind nicht gerade das Gelbe vom Ei, alles andere als das, hohe Jugendkriminalität, sonderbare Klamotten, sprich: muskulöse Teenager-Jungs in Feinrippunterhemden und Baggy Pants, die deutsche Rentner auf S-Bahn-Gleise schubsen und auf Andersdenkende mit Messern losgehen, nachdem sie die eine oder andere Wodka-Flasche  – natürlich Marke Gorbatschow – geleert haben. Die Russen, das sind außerdem stark geschminkte Frauen, entweder ältere Damen, laut und in Pelz gekleidet, knallrote Lippen versteht sich von selbst; oder auch ihre jüngeren Ausgaben, ebenfalls knallrote Lippen, Pelz, aber von Letzterem ein bisschen weniger. Weniger, weil das meiste Haut ist, wie Nutten sehen sie aus, aber das darf man so direkt ja nicht sagen. (Leider.) Die Russen jedenfalls, die sind so, und ich bin wohl eine von ihnen.

    Jetzt könnte ich erwähnen, dass ich weder einen knallroten Lippenstift besitze noch Pelz in irgendeiner Form, sondern meist unförmige Kapuzenpullis und statt hoher Absätze Sneakers trage, aber auf diese Klischees einzugehen, wäre unter meinem Niveau. Unverkennbar aber ist die Tatsache, dass Russen in Deutschland leben. Die Russen kommen nicht, sie sind schon da.
    Ebenfalls da sind all die anderen, die aus der Türkei, aus Italien, aus Spanien, aus Afrika, aus den Nachfolgestaaten Jugoslawiens oder der Sowjetunion, aber auch aus den USA, aus Mexiko, aus China, Indien, dann noch Chile, Argentinien, vielleicht sogar Norwegen oder der Schweiz kommen, aber Letzteres ist ja in Ordnung, das ist ja fast Deutschland, nur bergiger, teurer und mit einem sonderbaren Dialekt. Aus der Türkei sind übrigens zu viele da, aus Indien möglicherweise zu wenige – jedenfalls dann, wenn man es aus der Sicht der Wirtschaft betrachtet, die sich nach Fachkräften sehnt, die jedoch lieber abwandern, und beobachten muss, dass freiwillig keine Neuen hierherziehen. Zu viele Inder sind aus Sicht derer da, die bei Indien an

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