"Sie koennen aber gut Deutsch!"
werden kann. Dabei werden Begriffe wie »muslimisch«, »islamisch«, »islamistisch« ebenso wie die Menschen dahinter einfach unreflektiert in denselben Topf geschmissen. Es ist so banal, dass ich das gar nicht aufschreiben mag, aber das Gefühl habe,
es dennoch tun zu müssen: Nicht jeder Christ ist Papst Urban II., der zu Kreuzzügen aufgerufen hat, nicht jeder Jude ist der Mörder von Yitzhak Rabin, nicht jeder Moslem ist Osama bin Laden. Genauso wenig wie ich mich als Jüdin für das Verhalten der israelischen Regierung oder als Frau für alle ÃuÃerungen von Alice Schwarzer rechtfertigen möchte, können nicht alle Muslime für alle islamistischen Selbstmordattentate weltweit geradestehen. Erst recht nicht diejenigen unter ihnen, die sich in erster Linie zum Beispiel als deutsche Staatsbürger sehen oder sich auf eine ganz andere, ihnen eigene Weise selbst definieren und erst in zweiter Linie als Muslime.
Die um sich greifende Islamophobie hat Auswirkungen und Konsequenzen. Diejenigen unter uns, die sie spüren und zu spüren bekommen, ziehen sich möglicherweise zurück, eine Reaktion, die man ihnen auch vorher schon zum Vorwurf gemacht hat. Manche mögen durch diese Entwicklung in tatsächlich radikalere, gefährliche Kreise gelangen. Kinder aus muslimischen Familien bekommen in Schulen, in Vereinen, in ihrem Alltag auÃerhalb des Zuhauses, auÃerhalb der innermuslimischen Kreise teilweise kaum eine Chance. Das hat dann in dem Moment wenig mit der Bildungsferne ihres Elternhauses zu tun, sondern vielmehr mit dem, wofür zum Beispiel die Kopftücher, die manche Mädchen tragen, inzwischen stehen: für Anti-Feminismus, für zukünftige Gebärmaschinen, für eine terroristische Bedrohung. Diese Stilisierung, diese Pauschalisierung sorgen nicht nur für eine negative, feindliche, hasserfüllte Stimmung im Land. Sie bewirken noch mehr, auch noch mehr, als »nur« Menschen, die in der so genannten Mitte unserer Gesellschaft gelebt und ihre muslimische Religion im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten ausgeübt haben, an den Rand dieser zu treiben. Sie
machen eine sachgerechte, lösungsorientierte Diskussion der realen Probleme unmöglich, die im Zusammenhang mit und innerhalb der muslimischen Minderheit in diesem Land existieren.
Dies ist nicht nur schade, nicht nur peinlich für unsere Demokratie, es könnte auch verheerende Folgen haben.
Was Angst macht
Wir saÃen am Frühstückstisch, leicht verschlafen, knabberten an unseren Brötchen und teilten uns die Zeitung. Ich las einen Artikel, in dem nebenbei ein Student erwähnt wurde, mit Vornamen Mohammed, der bei einem Praktikum von seinem Vorgesetzten darum gebeten wurde, sich am Telefon doch bitte mit »Alexander« zu melden, das käme bei den Kunden besser an. Es ging in besagtem Artikel um Frankreich, es ging möglicherweise um den Arbeitsmarkt oder auch um junge Praktikanten, ich erinnere mich nicht mehr genau, jedenfalls ging es nicht in der Hauptsache um Mohammed-Alexander, aber ich blieb an dieser Tatsachenbeschreibung hängen und erzählte sie kurz in die Runde. »Ist das nicht unglaublich?« , fragte ich. »Dass er seine Identität verleugnen muss, um in dem Unternehmen arbeiten zu können?« Ich erwartete Zustimmung und gemeinsame Aufregung am Frühstückstisch.
»Wieso? Das habe ich auch schon gemacht! Dann begegnen einem die Menschen doch ganz anders!«, antwortete meine Freundin, deren Nachname mit einem »ic« endet, das wie ein »itsch« ausgesprochen wird wie die meisten ex-jugoslawischen Nachnamen, seelenruhig antwortete sie mir so, ohne von ihrem Teil der Zeitung auch nur aufzuschauen.
»Wie, du hast es auch schon gemacht?«, fragte ich erstaunt, denn meine Freundin ist keine von der schüchternen Sorte, auch keine, die sich um jeden Preis anpasst oder ihre Herkunft verleugnen würde. Sie aber nahm sich die Zeit, den Artikel, in den sie gerade vertieft war, zu Ende zu lesen, weil sie
meine Aufregung nicht verstand und mich später im Gespräch auch wieder einmal der Naivität beschuldigte.
Ich bin nicht naiv. Ich kenne die Studien, die sich mit solchen Phänomenen beschäftigen. Ich weià zum Beispiel, dass die Universität Konstanz 2010 herausgefunden hat, dass ein Stellenbewerber mit einem türkischen Namen eine um 14 Prozent geringere Chance hat, zu einem
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