"Sie koennen aber gut Deutsch!"
grüÃten, obwohl man in dieselbe Klasse ging. Parallelwelten innerhalb einer Klassengemeinschaft, das haben alle Schulen, alle Schüler, alle Klassen überlebt.
Der Vermieter unserer ersten gemeinsamen Wohnung sah
aus wie ein Bayer, wie er im Buche steht, und war es auch. Zwirbelbart, ein Deutsch, das schwerlich als solches zu bezeichnen war, also sagen wir ein Bayerisch, das entfernt ans Hochdeutsche erinnerte, CSU-Aufkleber am Auto und im Keller ein »Stüberl«, das wir für Partys hätten mieten können, »ein ganz besonderes Schmankerl«. Die Stube lieà mich mit ihren blau-weiÃen Tischdecken auf den mit Schnitzereien versehenen Landhaus-Holztischen und dem spärlichen Licht, das durch die Fenster fiel, die beinahe an der Decke begannen, frei-assoziativ und wieder ganz subjektiv an Hitler denken, der mit seinen Kumpanen heimlich in diesem Keller die Machtübernahme plante, was so natürlich nicht stimmte, weil das Haus damals noch nicht stand. Der bayerische Vermieter jedenfalls erzählte uns bei der Wohnungsbesichtigung, dass unser Vormieter hauptsächlich »in der Türkei und so anderen Ländern arbeitet, wo unsereins noch nicht einmal Urlaub machen möchte«, und ich biss mir im nicht-übertragenen Sinne auf die Zunge und verkniff mir den Satz »Wieso, ich würde dort gerne Urlaub machen!«, weil ich die Wohnung unbedingt haben wollte. Und später, als er mit ebendiesem Vormieter in einem dieser Länder, »in denen unsereins noch nicht einmal Urlaub machen möchte«, wegen der Küchenablöse telefonierte, wünschte er ihm tatsächlich am Ende des Telefonats »mit den Andersartigen« viel Glück. Ich saà auf der Sofakante, bereit aufzuspringen, obwohl ich sitzen blieb, und fragte mich, ob mein Mann, der zum Glück das erste Telefonat mit dem Vermieter geführt hatte, er, der sich mit seinem deutschen Nachnamen melden konnte, nicht ich, die Gorelik, erwähnt hatte, woher ich ursprünglich komme. Oder würde der deutsche Pass den Namen wieder wettmachen? Staatsbürgerschaft gegen Herkunft?
Wir zogen für die nächsten zwei Jahre bei ihm ein.
Woher, wovor die Angst â vor den Andersartigen in der Türkei? Vor der Andersartigkeit der Türken? Was können sie uns tun? Nehmen sie uns etwas weg? Was nehmen sie einem dort, in ihren Ländern, »in denen unsereins noch nicht einmal Urlaub machen möchte«, weg? Die Kamera? Meine wurde auf dem Münchner Marienplatz geklaut.
Nehmen Kinder einem etwas weg, unschuldige Kinder? Wovor hatten die Eltern Angst, die in Hamburg beim Volksentscheid um die Schulreform 2010 in die Wahlkabinen strömten, um dafür zu votieren, dass nicht alle Kinder möglichst lange dieselben Chancen erhalten sollten? Wollten sie ihre eigenen Sprösslinge von den anderen, den Migranten aus bildungsfernen Familien, trennen? Wovor wollten sie ihre Kinder bewahren? Vor andersartigen Kindern? Die was tun könnten? Den Kindern â Kindern, wohlgemerkt, spielenden, lernenden, streitenden, lachenden, süÃen Kindern â die Jobs wegnehmen? Später einmal? Oder jetzt schon eine gute Note? Hatten sie Angst, dass ihre Kinder überfremdet würden? Inwiefern? Dass sie plötzlich nachhause kämen und Türkisch statt Deutsch sprächen? Oder Deutsch-Türkisch? Vor dieser Art der Ãberfremdung hatten sie Angst?
Ich stelle diese Fragen, weil ich es wirklich nicht verstehe.
Je höher das Einkommen der Abstimmenden, desto höher die Wahlbeteiligung, las ich am Montag nach dieser meiner Meinung nach verheerenden und wegweisenden Volksabstimmung in den Wahlanalysen. Je höher das Einkommen, desto höher die Bildung, das kennt man ja aus Deutschland. Bildung schützt aber nicht vor der Angst vor Ãberfremdung. Das ist nicht nur erschreckend im Hinblick auf das, was Bildung bei uns wohl bedeutet, sondern auch peinlich.
Mir zumindest.
Und wann verschwindet die Angst? Was muss man tun,
wie weit muss man gehen? Wann traut man einem, wann ist die Gefahr gebannt? Konkret gefragt: Die Hamburger Eltern, die ihren Nachwuchs vor der Ãberfremdung durch Migrantenkinder (hier habe ich noch eine subjektive, unzensierte Assoziation aus meinem Kopf, kommentarlos, im Angebot: Zigeunerkinder) schützen wollten, hätten sie sie auch vor meinen Kindern schützen wollen? Die mit mir und den GroÃeltern Russisch sprechen, die russische
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