"Sie koennen aber gut Deutsch!"
Jahren eine zuverlässige und beliebte Mitarbeiterin dieser Filiale, die Stelle bekommt. Denn Frau Giovanni ist zwar zuverlässig und beliebt, aber sie ist eben auch Frau Giovanni. Ist das diese Angst vor Ãberfremdung, von der in den medialen Diskussionen immer die Rede ist? Was genau ist Ãberfremdung? In meinem Kopf taucht neben Ãberfremdung immer der Begriff Ãberschwemmung auf, eine sehr subjektive und unbegründete Assoziation, der ebenso subjektive, unbegründete und absurde Bilder folgen: Deutschland, seine Wiesen, seine Berge, seine Wälder und seine Städte, seine Flüsse sowie Ost-, Nordsee und Alpen sind nicht mehr zu sehen, als solche zu erkennen, weil sie überschwemmt wurden von Türken und Italienern und Russen und Arabern im Allgemeinen und ein paar Afrikanern noch dazu, wie ein Tsunami haben diese Menschen Deutschland überschwemmt und ja,
man könnte sagen, in seiner Ursprungsbedeutung vernichtet. An jedem Landhaus-Holzstammtisch ein Wasserpfeife rauchender Türke. Sonntag, 20.15, auf der Mattscheibe dieses Landes: Al-Dschasira. Jeder Gartenzwerg trägt ein Kopftuch. Absurd und vereinfacht, diese Bilder, aber wenn es um die nicht geht, worum geht es denn dann bei Ãberfremdung, was soll das überhaupt sein? Wo fängt sie an, ab wann empfindet man einen fremden Menschen als Gefahr? Wenn in einem Unternehmen ein Drittel der Arbeitnehmer nicht ursprungsdeutsch ist, ist die Ãberfremdung dann schon erfolgt, oder steht sie erst kurz bevor? Und woran erkennt man diese? Daran, dass ein Drittel der Arbeitnehmer in der Mittagspause statt einer Leberkässemmel einen Döner isst? Ach nein, das machen ja schon längst die nicht-vegetarischen neunzig Prozent der Mitarbeiter, denn Döner ist ja fast schon deutsch, nur eben türkisch, »mit ohne scharf«.
Fremd macht Angst, weil fremd â wie der Begriff schon sagt â fremd ist. Und fremd kann so gut nicht sein, denn fremd ist anders. Und anders, ja, vor anders hat man Angst. Man hat vor allem Angst vor vermeintlichen Parallelwelten, die einem fremd sein könnten und deren tatsächliche Existenz höchst fragwürdig ist. Aus geometrischer Sicht sind Parallelen Geraden, die in einer Ebene liegen und einander nicht schneiden; fraglich ist, ob dies auch Gültigkeit hat, wenn man die urdeutsche Bevölkerung als eine Linie ansieht, eine bestimmte Gruppe von Migranten als die andere. Dass sie sich gar nicht, an keiner Stelle berühren (allenfalls in der Unendlichkeit). Noch nicht einmal beim Drängeln um einen Platz im Bus, oder gilt das nicht als Berührungspunkt? Und wenn die Diskussion um Parallelwelten nicht so genau genommen werden kann wie eine mathematisch-geometrische und es eigentlich nur um die Symbolik geht: Wer legt denn fest, wie viele
Berührungspunkte die Parallelen haben müssen, damit die Kritik an den angeblich komplett abgeschotteten Parallelwelten ein Ende findet? Wie groÃ, wie ausführlich, wie ehrlich, wie herzlich müssen diese Berührungspunkte sein? Und möchten wir alle überhaupt miteinander in Berührung kommen? Müssen wir das möchten? Und gibt es nicht unzählige Gruppen innerhalb dieses Landes, die ganz unabhängig von ihrer Herkunft geschweige denn Nationalität in ihren â so müssten dann auch sie genannt werden â Parallelwelten leben und niemals miteinander in Berührung kommen? Die Bewohner der hippen Berliner WGs sind aus Sicht einer seit Generationen denselben Hof betreibenden Bauersfamilie im Frankenwald mit Sicherheit eine Parallelwelt. Aber ist das für einen von beiden ein Problem? Für das wir gar einen Integrationsgipfel bräuchten?
Die Polemik, die Fragen. Es ist ja nur wegen der Angst.
Parallelwelten von Migranten existieren nicht in dieser vollkommen abgekapselten Form, auch wenn die Konnotation des Begriffs das vermuten lässt. Sie existieren so, wie beispielsweise auch die Parallelwelten von evangelischen und katholischen Christen in diesem Land schon lange nebeneinanderher existieren. Auf dieselbe Weise, in der sich Menschen, die etwas miteinander verbindet, nun einmal zusammenfinden. Das ist eine Form des Zusammenlebens, die zu jeder Gesellschaft gehört. Man muss sich nur an seine Schulzeit erinnern, daran, dass die Latein liebenden Streber in der Klasse mit den coolen, Skateboard fahrenden Schönlingen nichts miteinander zu tun hatten, sich meist noch nicht einmal
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