"Sie koennen aber gut Deutsch!"
man â auch ich â häufig überrascht. Weil man die Frau dann zum Beispiel in einem perfekten Deutsch telefonieren hört, wie sie Pläne zum Ausgehen schmiedet. Weil sie ein Universitätslehrbuch für BWL aus der Tasche holt und konzentriert darin liest. Es macht mir jedes Mal Freude, wenn die Assoziationen im Kopf an der Realität zerbersten. Es geht nicht allen so. Ein Professor fragte in einer Vorlesung eine Studentin mit Kopftuch, was sie in einem Uni-Hörsaal mache, wenn sie sowieso demnächst fünf Kinder bekommen und zuhause bleiben würde. Es protestierte keiner â bis auf die junge Frau selbst. Eine Entschuldigung des Professors blieb aus. Möchte man die Menschen so haben, wie man sie sich denkt? Ist die Mehrheitsgesellschaft in diesem Land tatsächlich so einfach gestrickt, dass sie auf die Schubladen,
in die sie die Menschen fein säuberlich â deutsch, am Tag der Kehrwoche gar vielleicht â einordnet, nicht verzichten kann?
Es ist selbstverständlich immer einfacher, sich gegen etwas zu richten, als sich dieses Etwas genauer anzusehen, zu differenzieren. Noch einfacher ist es, dieses Etwas, diese Schublade zu vergröÃern und alles, was auch nur im Entferntesten dazu passt, mit hineinzutun, dann weià man, woran man ist, wie man zu denken, zu handeln hat. Und wie handelt man? Eine Frau, die auf dem Bewerbungsbild ein Kopftuch trägt, hat trotz gleicher Voraussetzungen und Qualifikationen wie ihre Mitbewerber kaum eine Chance darauf, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden, geschweige denn darauf, den Job zu bekommen, sagt zum Beispiel eine Studie der FU Berlin. Man handelt, indem man eine ganze Weltreligion abstempelt, eine Angst, die inzwischen auch als Panik zu bezeichnen wäre, vor ihnen entwickelt. Eine Studie der Universität Münster aus dem Jahr 2010 hat festgestellt, dass die Deutschen im westeuropäischen Vergleich Spitzenreiter sind, was die Ablehnung des Islam angeht. Und wovor genau hat man Angst? Im bekanntesten antimuslimischen Blog dieses Landes »Politically Incorrect«, der vor allem dadurch berühmt wurde, weil dort die umstrittenen Mohammed-Karikaturen veröffentlicht wurden, ist zu lesen, warum den muslimischen Anfängen gewehrt werden müsse, nämlich, »damit niemals meine Töchter, Nichten und Enkelinnen in Kopftuch rumlaufen müssen«. Diese angesichts der Realität, angesichts selbst der Statistiken, die am meisten für Aufregung sorgten, absolut absurden Ãngste führen dazu, dass Islamkritiker Projekte wie das mit dem vielsagenden Namen »Nürnberg 2.0.« gründen, »eine Erfassungsstelle zur Dokumentation der systematischen und rechtswidrigen Islamisierung Deutschlands«.
Man findet auf der Liste derer, die angeblich deutsches Recht verletzen, weil sie einem Vordringen des Islams in Deutschland Vorschub leisten, Politiker wie Dieter Wiefelspütz (SPD), Ruprecht Polenz (CDU) oder Renate Künast (Die Grünen) genauso wie den Sprecher der Berliner Bürgerinitiative »Bündnis Rechtspopulismus stoppen«. Ist dieses Projekt, deren Urheber sich übrigens nicht zu erkennen geben wollen, eine konkrete Initiative am Rande, die deshalb nicht minder erschreckend ist, so ist die eigentliche Angst vor dem Islam eine Angst, die in der so genannten Mitte der Gesellschaft zuhause ist. Diese Angst und dieser Hass sind nicht nur salonfähig geworden, sondern als Zustand akzeptiert worden. Und es geht dabei nicht um Angst vor möglichen terroristischen Anschlägen, auch nicht um die Kriege, die die Anschläge vom 11. September nach sich gezogen haben, es geht inzwischen um eine Islamophobie, bei der jeder, der sich als Muslim sieht oder als solcher von auÃen wahrgenommen wird, pauschal verurteilt wird. Es handelt sich dabei nicht um eine konkrete Angst vor fanatischen Anhängern einer Religion, die diese auf eine bestimmte, menschenverachtende Weise interpretieren, die bereit sind, im Namen dieser Religion Andersdenkende und Andersgläubige zu töten und länderübergreifende Kriege anzuzetteln. Diese verständliche Angst hat sich weiterentwickelt und ist zu einer Angst vor jedermann geworden, der sich zu dieser â weit interpretierbaren  â Religion bekennt oder auch â und das scheint für die Angst zu reichen â aufgrund seiner Herkunft oder seines Aussehens damit in Zusammenhang gebracht
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