Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)
kostbarste Besitz auf unserem Planeten, das, was uns am Leben erhält, uns antreibt, uns beim Wachsen hilft, steht jetzt unter Verdacht. Ich fühle mich gut, die meisten von uns tun das, aber jene, die krank sind, jammern den ganzen Tag, klagen dem Rest von uns ihr Leid und erzeugen Schuldgefühle in uns, weil wir noch gesund sind.
Wie könnte ich diesen Ort verlassen? Und doch, wie können wir bleiben? Ich blicke auf Evan und Mikey, Jungs, die kaum begonnen haben, die Welt zu verstehen – bringen wir sie in Gefahr, weil wir einen weiteren Tag in diesem überfüllten, von Menschen wimmelnden Flüchtlingslager verbringen? Die Überlebenden kommen in einem stetigen Strom, nicht immer ein reißender Fluss, manchmal nur ein Rinnsal, aber permanent.
Sie überfordern unsere Vorräte, nein, die Vorräte sind auch für sie, aber bald wird die Versorgung so knapp werden, dass niemand mehr viel von irgendwas bekommt.
Vielleicht ist das der Vorwand, den ich schon zu lange gebraucht habe. Ich habe zu lange damit gewartet, nach meiner Mutter zu suchen. Ich hätte überhaupt nicht warten sollen.
Bevor ich es trinke, koche ich mein Wasser zweimal, manchmal dreimal. Nach jedem Schluck beginne ich mich schlecht zu fühlen, nicht vor Krankheit, sondern aus Angst.
Vergiftet. Vergiftet von innen heraus … Ich lasse nicht zu, dass das mein Schicksal wird, nicht nach so vielen Tagen hart erkämpften Überlebens. Ich muss mir einen Plan ausdenken, eine Lösung, egal wie viele Stunden Schlaf und wie viele Mahlzeiten mir dabei verloren gehen. Dies ist unsere Festung, unser sicherer Hafen, und eine Bedrohung ist eine Bedrohung, ob sie nun von außen oder von innen kommt.
Zeit zu gehen. Vielleicht sollte ich Collin von hier weglocken oder ihm eins über die Rübe ziehen und ihn wegtragen. Dann können wir uns um uns kümmern. Wir könnten allein gehen, und ich könnte meine Mom finden. Es ist nutzlos zu spekulieren, aber ich kann nicht anders … ich muss einfach grübeln.
KOMMENTARE
Dave im Mittelwesten:
16. Oktober 2009 19:08 Uhr
Ohne Proviant bleibt mir nicht mehr viel zu tun. Mein Sohn … mein armer Sohn … Ich hätte nie gedacht, dass er so lange überleben könnte, nachdem er infiziert wurde. Ich erkenne jetzt, dass ich nicht lange genug lebe, um seine Rettung zu erleben. Ich kann nur hoffen, dass jemand anderes meinen Jungen rettet.
Seit mir klar wurde, was ich tun muss, ist es sehr einfach geworden, meine Pläne umzusetzen. Wie ich erwähnt habe, ist nichts mehr übrig. Kein Essen. Kein Wasser. Nur das anhaltende wütende Knurren meines Sohnes und das nagende Bewusstsein, Fehler gemacht zu haben, kreisen in meinem Kopf. Es gibt nicht viele Leute, die wirklich verstehen können, was ich zu tun habe, aber ich muss meinem Sohn jede Chance geben, lange genug zu leben, bis jemand eine Therapie findet. Vielleicht ist er der Stärkste unter den Infizierten. Wenn er so lange wie möglich lebt, hat er vielleicht eine Chance, geheilt zu werden. Da ich ohnehin verloren bin, kann ich nur noch hoffen, dass ihnen mein Geschenk eine Chance gibt.
Bitte. Findet eine Therapie. Findet einen Weg, meinen Sohn zu retten. Lasst mein Opfer nicht umsonst gewesen sein. Ich werde nicht länger zögern. Ich werde meinen Sohn freilassen und ihn Kraft aus meinem Körper ziehen lassen. Dank euch allen dafür, dass ihr weiterkämpft.
Allison:
16. Oktober 2009 20:22 Uhr
Dave, ich denke ab und zu, dass du der Mutigste von uns bist. Ich bitte dich, überleg es dir noch mal: Verlängere das Leiden deines Sohnes nicht. Lass ihn endlich los oder mach ein Ende. Du musst dir vor Augen führen, dass er nicht länger lebt, er stirbt wieder und wieder jeden Tag. Es ist deine Entscheidung, aber bitte, denk darüber nach.
Isaac:
16. Oktober 2009 21:10 Uhr
Allison hat recht. Du musst aufhören, an dich selbst zu denken. Denk an ihn. Tu das Richtige und beende es.
19. O KTOBER 2009 – D AS E RWACHEN
»Lass uns gehen, heute, jetzt!«
»Ich kann nicht gehen, das weißt du. Ich habe Verantwortung für diese Leute, Allison.«
Es kommt mir schon so vor, als ob wir dieses Gespräch jeden Morgen führen. Collin weicht nicht von seinem Standpunkt, aber manchmal habe ich das Gefühl, er stellt sich unsere Flucht vor, wir beide zusammen unterwegs. Dann werden seine harten Züge für einen Moment ganz weich. Sobald jemand nach ihm ruft, verschwindet dieser Ausdruck.
»Ich bin wirklich eine gute Reisegefährtin«, sage ich und versüße ihm die Pille noch mit
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