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Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Titel: Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine Roux
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Dinge anzuhören – wenn sie nur bereit wäre, sie kundzutun. Aber sie hat ihre Wahl getroffen. Obwohl sie nicht so bösartig gegen Collin wettert wie die anderen Gemahlinnen, erkenne ich an ihrer elenden Haltung, an ihrem leeren Blick, dass sie sich den Gemahlinnen mit Haut und Haaren verschrieben hat. Ich weiß nicht mal, warum. Vermutlich wirkt die Gegenwart so vieler Frauen wie ein Schild. In ihrem engen Kreis kann sie sich vor uns allen verstecken, besonders vor Ned.
    Ned verhält sich die ganz Zeit über beängstigend still. Er weigert sich, über ihre Verbindung mit den Gemahlinnen zu sprechen, aber ich erwische ihn oft dabei, wie er seine Frau anstarrt. Ich frage mich, ob sie darüber gesprochen haben oder ob sie ihm wortlos signalisiert hat, dass ihr gemeinsames Leben vorbei ist.
    Portable Toiletten herumzuzerren, war nur der Beginn meines Tages. Ned und ich assistierten Ted bei einigen schweren Fällen unter den Patienten. Sie scheinen eine Art schrecklicher Grippe zu haben oder eine Magen-Darm-Infektion. Sie behalten das Essen nicht bei sich, und wenn doch, scheint es ihnen Schmerzen zu bereiten. Später habe ich mit Evan und Mikey an ihren Halloweenkostümen gebastelt.
    Halloween ist Mikeys Lieblingsfest, und der Junge hat darauf bestanden, dass wir beizeiten ihre Kostüme anfertigen. Anscheinend hat Ned eine Tradition von kunstvoll gearbeiteten Outfits begründet. Letztes Jahr war Mikey ein Transformer, und die Augen der Maske haben tatsächlich geleuchtet. Ich bringe es nicht übers Herz, ihnen zu sagen, dass es nicht viele Süßigkeiten geben wird und sich außer ihnen keiner darum schert, sich zu verkleiden. Ich hoffe, ich kann ein Kostüm liefern, das die Illusion von Normalität für ein bis zwei Minuten aufrechterhält.
    Mikey will Zorro sein. Also basteln wir ihm ein Cape und eine Maske aus einer alten Plane und einigen Basketballtrikots, die wir in den Kellern gefunden haben. Dapper wird sein treues Ross. Evan kann sich nicht festlegen, er schwankt zwischen einem Piratenmotiv und etwas aus Wall-E und wirkt völlig verzweifelt bei der Vorstellung, sich für eines entscheiden zu müssen. Ungeachtet des Spottes seines Bruders haben wir daher beschlossen, beides zu verbinden, und machen einen Wall-E- Piraten aus ihm. Sein Kostüm besteht hauptsächlich aus Pappkarton, Getränkedosen und Gummischläuchen sowie einem Stückchen Trikot für die Augenklappe.
    Es ist zwar kein blinkender Transformer, aber es muss reichen.
    Nachdem ich die Jungs bei Phase eins der Kostümkonstruktion unterstützt hatte, verbrachte ich etwas Zeit bei der Eingangskontrolle mit der Untersuchung von Neuankömmlingen. Die Leute, die jetzt kommen, sind die schlimmsten, die wir bisher gesehen haben. So verhungert und verängstigt stammeln sie nur wirres Zeug, wenn wir sie auffordern, hinter einen Vorhang zu treten und sich auszuziehen.
    Vermutlich durch die viele Zeit, die ich mit Evan und Mikey verbracht habe, fällt mir ein weiterer alarmierender Trend auf: Es gibt kaum sehr junge oder sehr alte Leute. Fast alle scheinen zwischen achtzehn und sechzig zu sein. Evan und Mikey sind zwei von nur einer Hand voll Kindern, und ich erinnere mich an höchstens sieben oder acht wirklich alte Leute erinnern, die hier noch herumlaufen. Es macht mir Angst, dass keine Generation mehr nach uns kommt, niemand, der gut genug ausgebildet sein wird, um sich unseren Problemen mit neuen, frischen Ideen stellen zu können. Was soll aus uns werden?
    Da ich seit dem Morgen nichts zu mir genommen hatte, machten Collin und ich eine Pause vom Grenzdienst und aßen zusammen in seinem Zelt. Selbst dort, getröstet von seiner Gegenwart und der Intimität des Zeltes, dringt die äußere Welt dräuend zu uns durch. Der Lärm aus Husten, Röcheln und Keuchen folgt einem überallhin und erinnert an die vielen Menschen im Todeskampf. Nach einer geteilten Dosensuppe und ein paar Müsliriegeln gingen wir zum Zielschießen. In der kühlen Oktoberbrise erzählt er mir, wie sehr er das Unterrichten vermisst, seine Schüler und die Notenkonferenzen. Er vermisst sogar die Auseinandersetzungen mit den unausstehlichsten Mitgliedern der Fakultät.
    »Ich würde alles geben für einen letzten Tag als Lehrer«, sagt er, während er ein Magazin für mich bestückt. »Einen Tag, von dem ich weiß, dass ich ihn genießen und jeder verrückten Einzelheit Aufmerksamkeit schenken muss.«
    Ich erwarte jetzt diesen sehnsüchtigen Blick in die Ferne in seinen Augen, aber er

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