Sie liebt mich, sie liebt mich nicht...
schaue ihn an und denke: Er gehört mir. Ganz allein mir.« Danny versuchte sich vorzustellen, wie das wäre, wenn er aufwachte und Brian Pallis neben ihm liegen würde. Das würde reichen, um sein Leben lang an Schlaflosigkeit zu leiden. Keine erfreuliche Aussicht jedenfalls. Aber bei Nicky? Bei dem Gedanken überliefen ihn heiße Schauer. Vielleicht war es eine unbequeme Nacht nach der anderen wert, ihren Kopf neben sich auf dem Kissen zu sehen. Aber viel verlangt war es trotzdem.
»Ist sie es?« fragte Alice lächelnd.
»Was?«
»Nicky. Ist es die wahre Liebe?«
Er zog eine Grimasse. »Nicht beim Essen bitte.«
»Meine Güte, du bist wie alle Jungen! Du würdest es nie zugeben, stimmt’s? Du würdest nie die Schranke hochklappen.«
»Was zugeben? Welche Schranke?«
»Da haben wir es! Die, hinter der du deine Gefühle verbirgst. Sie liebt dich nämlich. Das hat sie mir selbst gesagt. Sie hatte keine Angst, ihre Gefühle für dich zuzugeben. Nachdem sie an unserem Polterabend ein Glas Wein getrunken hatte, war sie ziemlich offen.«
»Was hat sie gesagt?« Danny hatte Nicky nie beschwipst gesehen und konnte sie sich so auch nicht vorstellen.
»Was hat sie genau gesagt? Laß mich nachdenken. Sie sagte... Sie sagte: >Nur wenn ich mit Danny zusammen bin, fühle ich mich komplett. Wenn er nicht da ist, habe ich immer das Gefühl, als fehle ein Teil von mir.< Ich mußte sie direkt in den Arm nehmen, weil es sich so süß anhörte.«
»Zu mir hat sie das noch nie gesagt.«
»Nein. Vielleicht fürchtet sie, du würdest so tun, als müßtest du dich übergeben.«
»Oh... Aber sie weiß doch, wie ich... Sie weiß, daß ich...« Er wischte sich die Wurstfinger zur Abwechslung an der Hose ab.
»Danny, du Ferkel! Ich habe dir extra eine Serviette gegeben.«
Er sah auf die brandneue Uhr an der brandneuen Wand. »Ich mach’ mich jetzt wohl besser auf den Heimweg. Mom sagte, sie würden heute abend mit mir über Dads Entlassung reden.«
»Dann hör aber auch zu. Ich kenne dich. Ich weiß, daß du dein Hirn meist dann abschaltest, wenn jemand mehr als zwei Sätze zu dir sagt. Sag Mom, ich würde morgen mal anrufen.« Sie brachte Danny zur Tür und schloß mit einem zufriedenen Lächeln hinter ihm ab. Es gab eine ganze Menge Schlösser.
Danny stand noch einen Augenblick da und betrachtete den brandneuen Messingtürklopfer. Dann drehte er sich mit einem tiefen Seufzer um und ging nach Hause, um mit sich reden zu lassen.
4
Sie hingen übers Geländer und beobachteten den Verkehr. Danny schaute nur; Andy machte sich jedesmal Notizen, wenn ein Bus vorbeifuhr.
»Ein Leyland Leopard«, sagte Andy anerkennend. »Mit Plaxton-Karosserie.«
»Tatsächlich?« Wenn Andy »ein bengalischer Tiger mit Metallic-Lackierung’ gesagt hätte, wäre es Danny auch egal gewesen.
»Normalerweise machen sie nur die Cambridge-Route. Daß mal einer hier runterkommt, ist ziemlich ungewöhnlich.«
»Ich kann dir gar nicht sagen, wie mich das langweilt«, meinte Danny. »Mein Dad ist arbeitslos, Nicky läßt sich in Südfrankreich wahrscheinlich gerade von einem muskelbepackten Filmstar von oben bis unten einölen, die Gorgo kommt heute nachmittag, und ich konnte meine Eltern nicht davon überzeugen, ihr mein Zimmer zu geben, damit ich Alices altes Zimmer haben kann, und wahrscheinlich habe ich die Prüfungen total verhauen.«
»Wie machst du das bloß, daß du dabei noch so fröhlich bist?«
»Einfach ist es nicht.«
Danny drehte der Straße den Rücken zu und schaute an dem hohen Bürogebäude hinauf. »Mich würde mal interessieren, wie viele Leute in so einem Bau arbeiten.«
»Nicht sehr viele. Er gehört der Stadtverwaltung.«
»Aber das Ding ist riesig. Es muß doch voller Leute sein.«
»Ich hab’ auch nicht gemeint, daß nicht sehr viele Leute drin sind, sondern daß nicht sehr viele dort arbeiten. Mein Dad sagt, das sind alles Parasiten. Die leben von denen, die tatsächlich arbeiten, von denen, die etwas produzieren.«
»Ja, ja«, sagte Danny, »ein Sozialist. Er denkt wohl, in einem Taxi zu hocken und den ganzen Tag die Bonzen durch die Stadt zu karren sei produktiv, wie?«
»Zumindest bietet er eine Dienstleistung an. Die Leute da drin machen doch den ganzen Tag nichts anderes, als Papierflieger zu falten und sich damit zu bombardieren. Und dafür kriegen sie Ende des Monats einen Haufen Geld.«
»Hoffentlich habe ich wenigstens in einigen Fächern bestanden. Ich will später nicht an einem Schreibtisch hocken und
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