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Sie nennen es Leben

Titel: Sie nennen es Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Pilarczyk
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denen die Kommunikation zwischen Eltern und Kindern fürchterlich schiefläuft. Da schreibt die Mutter von Simone ihrer Tochter auf die » Wall « : » Dad findet, dass du aussiehst wie Cher. Bitte wechsle das Bild schnell aus. Alles Liebe, Mum und Dad « . Andere Eltern reagieren auf die » Wall-Postings « der Freunde ihrer Kinder: » Hey Carly, Ali (die Tochter der Schreiberin) hat zurzeit Computerverbot. Du kannst sie aber zu Hause besuchen und sie befragen. Ihr Handy hat sie auch gerade nicht… « Oder sie posten gleich auf die Seiten ihrer Kinder: » Ich habe euch doch gesagt: KEIN Facebook unter der Woche « .
    Was Helikopter-Eltern mit Abenteuerspielplätzen gemein haben
    Vom Küchentisch, dessen Ecken mit Kantenschutz versehen sind, über den eingezäunten Spielplatz bis zum mehrfach gemeinsam geübten Schulweg ist der Alltag von Kindern und Jugendlichen so reglementiert wie noch nie. 1990 gaben in einer deutschen Studie fast drei Viertel der befragten Kinder zwischen sechs und 13 Jahren an, sich täglich im Freien herumzutreiben. 2003 war es weniger als die Hälfte. Aktuelle Studien aus Großbritannien liefern noch genauere– und erschreckendere– Zahlen: Demnach ist der Umkreis, in dem Kinder allein von zu Hause stromern dürften, seit den 70 er Jahren um 90 Prozent geschrumpft. 43 Prozent aller Eltern glauben, dass Kinder erst ab 14 Jahren unbeaufsichtigt draußen spielen sollten.
    Doch selbst wenn Kinder einmal ohne Aufsicht unterwegs sein dürfen, können ihre Eltern sie nahtlos überwachen: Über die Website trackyourkid.de können Eltern das Handy ihres Kindes orten lassen. Direkter geht es sogar noch mit der Kinder-Armbanduhr Num 8 , die über GPS verfügt und damit noch genauere Daten liefert. In Japan können sich Eltern per SMS informieren lassen, wo ihr Kind mit der U-Bahn hinfährt: Die Ausgänge und Drehkreuze des Tokioter U-Bahn-Systems sind mit Chips versehen, die durch die Monatskarten der Schüler aktiviert werden. Sobald ein Kind einen Ausgang passiert, erhalten seine Eltern eine SMS mit den Koordinaten. So können sie sehen, ob ihr Kind tatsächlich auf dem Weg zu Schule ist oder doch lieber schwänzt.
    Eltern, die den Alltag ihrer Kinder am liebsten durchgehend kontrollieren wollen, nennt man » Helikopter-Eltern « : Wie ein Hubschrauber kreisen sie über ihrem Nachwuchs, immer bereit, zum Sturzflug anzusetzen, wenn Gefahr droht. Dabei scheinen sie durch ihre Fürsorge ihren Kindern eher zu schaden. Nach einer Studie der Psychologie-Fakultät des Keane State College (USA) sind Kinder von Helikopter-Eltern häufig unselbstständiger, neurotischer und abweisender als Gleichaltrige, die mehr Freiheiten hatten. » Ich glaube, Helikopter-Eltern haben sich gesagt: ›Wir wissen, wie gute Erziehung aussieht– jetzt legen wir einfach noch einen Zahn zu, und unseren Kindern wird es noch besser ergehen‹ « , sagt Studienleiter Neil Montgomery. » Das Problem ist nur, dass sie, als sie einen Zahn zulegten, über das Ziel hinausschossen und letztlich die Kindheit beziehungsweise die Jugend ihrer Kinder verlängert haben. «
    Für Kinder und Jugendliche ist es entwicklungspsychologisch äußerst wichtig, Räume eigenständig zu erobern und zu nutzen. Denn während sich Erwachsene vor allem über ihre sozialen Positionen und Rollen definieren, orientieren sich Jugendliche eher an sogenannten Sozialräumen. Unter einem Sozialraum verstehen Sozialpädagogen und Geografen einen Raum, der seine Funktion durch die soziale Interaktion in ihm zugewiesen bekommt. Eine Küche wird beispielsweise noch nicht zum Sozialraum, weil in ihr gekocht wird. Diese Funktion hat sie bereits mit ihrer Planung und Einrichtung erhalten. Wenn sich in ihr aber die Familie regelmäßig zu vertrauensvollen und herzlichen Gesprächen einfindet, wird die Küche zum Ort der Geborgenheit und gegenseitigen Unterstützung– und zum Sozialraum.
    Nach demselben Muster bauen Kinder in einer Ecke des Dachbodens mit ein paar Kisten ihren persönlichen Rückzugsort oder deuten Jugendliche eine verschmierte Parkbank zum coolsten Treffpunkt der Nachbarschaft um. So entsteht ein Gefühl der Kreativität, aber auch der Ermächtigung: Die Welt steht den Kindern und Jugendlichen offen und bietet ihnen die Möglichkeit, sie um ihre eigenen Räume zu erweitern.
    Sowohl innerhalb

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