Sie nennen es Leben
GroÃstädten des Landes. In der Regel schreiben sie vor, dass Jugendliche unter 18 Jahren unter der Woche nicht länger als 23 Uhr auf der StraÃe sein dürfen, am Wochenende nicht länger als Mitternacht. Ãber die Hälfte der Ausgehverbote ist in den vergangenen zehn Jahren verhängt worden.
In GroÃbritannien hat man ab 1998 auf sogenannte » ASBOs « (anti-social behaviour orders, Bescheide gegen antisoziales Verhalten) gesetzt, um VerstöÃe gegen die öffentliche Ordnung wie Vandalismus oder Lärmbelästigung zu regulieren. Ein » ASBO « funktioniert ähnlich wie der deutsche Platzverweis, mit dem die Polizei öffentliche Plätze räumt. In der Regel ist er aber noch mit einer Art Bewährungsauflage verbunden, wie sich beispielsweise einen Monat von einem Jugendclub fernzuhalten. Da » ASBOs « überdurchschnittlich häufig für Jugendliche verhängt wurden, wurde der » ASBO teen « schnell zu einer Witzfigur in den Medienâ vor allem dank der Sketchshow » Little Britain « und ihrer Kunstfigur Vicky Pollard, einer dicken, verwahrlosten Teenagerin mit gleich mehreren Babys. Im Sommer 2010 kündigte die Regierung von David Cameron jedoch an, » ASBOs « wegen ihrer begrenzten Wirkung abzuschaffen.
Neben der Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit kommt aber noch eine weitere Entwicklung hinzu, die den Alltag von Kindern und Jugendlichen massiv verändert hat: nämlich die wachsende Verplanung der Freizeit. Vom Lacrosse-Training bis zum ehrenamtlichen Engagement, vom Saxophon-Unterricht bis zur Nachhilfe in Mathe ist der Alltag von Heranwachsenden heutzutage durchgeplant. Schon mit 14 Jahren erzählen einige Jugendliche davon, wie sie sich erst ein bisschen Luft in ihrem vollgepackten Terminkalender schaffen mussten, um wieder mehr Zeit für ihre Freunde zu haben.
Weniger Freiräume, weniger Freizeitâ sieht man sich den Alltag von Kindern und Jugendlichen an, liegt auf der Hand, warum für sie das Internet so einen Stellenwert hat: Wie einst die StraÃe ist das Netz ein Ort der Aufregung, des Abwechslungsreichtums, der Eindrucksvielfalt und des Kontakts. Social Networks wie SchülerVZ oder Jappy bieten Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, virtuelle Sozialräume zu schaffenâ Orte, in denen ihre Regeln gelten und Erwachsene kaum Zutritt finden. Nicht zufällig gibt es bei Facebook die Funktion der » Pinnwand « , einer Online-Wand, die die Freunde » beschmieren « können. So eignet man sich digitale Räume an. Und das Beste: Zum Internet muss man nicht von den Eltern gefahren werden. Es ist mit wenigen Klicks vom Kinderzimmer aus zu erreichen.
Offene Lebensphase, enge Realität
Jugend wird erst durch Sozialräume zur Jugend, schreibt die Pädagogik-Professorin Karin Böllert. Aber was genau macht Sozialräume so wichtig für Jugendliche? Nach Böllert hängen Sozialräume eng mit einem anderen zentralen pädagogischen Konzept zusammen, nämlich den Entwicklungsaufgaben von Jugendlichen. Unter Entwicklungsaufgaben versteht man die sozialen und psychologischen Herausforderungen, die man beim Durchlaufen der verschiedenen Lebensalter bewältigen muss.
Für Jugendliche stehen nach dem traditionellen Verständnis in der Pädagogik vor allem vier Entwicklungsaufgaben an, die sie erfüllen müssen, um erwachsen zu werden: Sie müssen erstens intellektuelle und soziale Kompetenzen entwickeln, um fürs Berufsleben vorbereitet zu sein; sie müssen sich zweitens über ihre Geschlechterrolle und Partnerfähigkeit bewusst werden, damit sie für Partnerschaft und Familiengründung bereit sind; sie müssen drittens die Fähigkeit entwickeln, den Warenmarkt zu nutzen, um ihrer Kultur- und Konsumentenrolle gerecht zu werden; und sie müssen viertens ein Norm- und Wertesystem aufbauen, auf dessen Grundlage sie souveräne Bürger im politischen System werden können.
Schaut man sich diesen Katalog an Entwicklungsaufgaben an, fällt zunächst auf, dass er ein sehr enges Bild vom Erwachsensein vermittelt. Letztlich zielt er auf Mittelschichtsangehörige in einem marktwirtschaftlichen System ab. In den Sozial- und Erziehungswissenschaften ist dieses Modell zudem in die Kritik geraten, weil es verkennt, dass Jugend mittlerweile eine Phase bildet, die nicht allein zur Vorbereitung auf das Erwachsenenleben dient , sondern ganz eigenen
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