Sie nennen es Leben
Bücher. Jugendliche mit einem niedrigeren Bildungsniveau schauen dagegen häufiger Fernsehen, nutzen das Handy stärker und spielen öfter Computer- und Konsolenspiele.
Doch auch wenn Jugendliche das gleiche Medium nutzen, heiÃt das nicht, dass sie es auf die gleiche Weise nutzen. Gymnasiasten machen allgemein nämlich stärker von der Vielfalt des Internets Gebrauch und nutzen insgesamt eine gröÃere Anzahl an Online-Angeboten als Haupt- und Realschüler. Sie sind kritischer, was den möglichen Wahrheitsgehalt der gefundenen Informationen angeht, und ihnen bedeutet auch die Informationsvielfalt mehr als Schülern anderer Schultypen.
AuÃerdem setzen Gymnasiasten und Realschüler ihren Computer deutlich häufiger als Hauptschüler dafür ein, zu Hause für die Schule zu lernen und/oder zu arbeiten. Ebenso suchen Gymnasiasten häufiger im Netz nach Informationen für die Schule oder die Ausbildung. Und nicht nur das: Wie die Forscher vom Forschungszentrum KIB feststellten, recherchieren Schüler abhängig von der Schulform auch noch anders. Selbst scheinbar allgegenwärtige Angebote wie Google oder Wikipedia sind weit davon entfernt, universell verbreitet zu sein. So suchen Jugendliche mit formal niedrigerem Bildungshintergrund viel seltener gezielt nach Informationen und machen entsprechend auch deutlich weniger Gebrauch von Suchmaschinen: Rund 28 Prozent von ihnen nutzen Dienste wie Google überhaupt nicht. Online-Lexika wie Wikipedia sind bei ihnen auch wesentlich weniger beliebt als bei Gymnasiasten.
Das heiÃt nicht, dass Hauptschüler zu dumm für bestimmte Programme oder Seiten sind. Sie entsprechen nur nicht ihren Bedürfnissen. Dass sie zum Beispiel weniger googeln deutet vor allem darauf hin, dass sie für sie wichtige Informationen aus anderen Quellen wie zum Beispiel dem persönlichen Umfeld beziehen.
Ãhnlich groÃe Unterschiede wie bei der Informationssuche ergeben sich auch im Bereich der Online-Kommunikation: Bei Schülern mit niedrigerem Bildungsgrad sind Chats sehr beliebt. Ãber 20 Prozent von ihnen haben dagegen keine eigene E-Mail-Adresse. Bei Gymnasiasten beträgt der Anteil nur fünf Prozent. Wie man eine Website kontaktiert â sei es durch Feedback oder das Abonnieren eines Newsletters â, hängt aber häufig davon ab, ob man eine E-Mail-Adresse hat. Deshalb zeigt sich auch hier ein deutlicher Vorsprung der Gymnasiasten: 95 Prozent haben bereits Kontakt mit einer Website aufgenommen. Bei Hauptschüler sind es nur 71 Prozent.
Trägt man diese Zahlen zusammen, ergibt sich ein ziemlich eindeutiges Bild: Im Vergleich zu Haupt- und Realschülern nutzen Gymnasiasten die Vielfalt des Internets stärker und wissen gleichzeitig, wie sie am zielsichersten an Informationen kommen. AuÃerdem bewerten sie die gefundenen Informationen kritischer und suchen sich weitere Quellen, um den Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Diese Fähigkeiten setzen sie nicht nur für private Interessen ein, sondern auch für die Bereiche Schule und Ausbildung. Aber woher kommen diese Unterschiede zwischen den Schülern? Und vor allem: Welche Folgen haben sie?
Die feinen Unterschiede online
Auch wenn wir einfach nur Musik hören, zeigen wir, welcher Schicht wir angehören. Diesen Zusammenhang hat der französische Soziologe Pierre Bourdieu in seinem Hauptwerk » Die feinen Unterschiede « herausgearbeitet. Er wies nach, dass der persönliche Lieblingsfilm oder -komponist nicht einfach eine individuelle Vorliebe ausdrückt, sondern auf den zweiten Blick immer auch etwas über unsere sozioökonomische Stellung verrät. Ursprünglich entwickelt, um Geschmacksunterschiede zwischen Arbeitern und Akademikern im Frankreich der 1960 er Jahren zu erklären, eignen sich Bourdieus Ideen aber auch, um die Nutzungsunterschiede von Schülern im Netz im Jahr 2011 zu verstehen.
Um » die feinen Unterschiede « zwischen den Schichten zu zeigen, führte Bourdieu den Oberbegriff » Kapital « für alle Ressourcen ein, die uns im Alltag zur Verfügung stehen. Darunter fasst er materielle Ressourcen wie Geld (ökonomisches Kapital), aber auch Kontakte und Beziehungen (soziales Kapital). Am komplexesten ist sein Konzept des kulturellen Kapitals: Dazu differenzierte er zwischen objektiviertem Kapital (also alle Gegenstände wie Bücher, Tonträger oder Bilder, die in einem Haushalt vorhanden
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