Sie nennen es Leben
soziale Ungleichheit im Netz gesucht. Doch auch Studien, die keine explizit kritische Ausrichtung haben, kommen zu demselben Schluss: Gymnasiasten und Hauptschüler weisen die mit Abstand gröÃten Unterschiede in der Internetnutzung auf.
Die PISA-Studien haben zudem wiederholt nachgewiesen, wie eng in Deutschland Bildung und sozioökonomischer Hintergrund zusammenhängen. Rund drei Viertel der Leistungsunterschiede zwischen den Schülern lassen sich darauf zurückführen, wie ihre Familien wirtschaftlich gestellt sind. Die tatsächliche Leistungsfähigkeit beeinflusst Noten und Abschlüsse nur zu einem Viertel. Umgekehrt erlaubt der Bildungsgrad in Deutschland oft genug einen direkten Rückschluss auf die Schichtzugehörigkeit von Kindern und ihren Eltern.
In populären Büchern über die » digital natives « finden sich indes keine Hinweise auf das Zusammenspiel von Bildung und Internetnutzung. Schicht-blind sind die Netzdeuter trotzdem nicht. Als sich Don Tapscott daranmachte, mit » Growing Up Digital « das erste Porträt der » Generation Internet « zu schreiben, orientierte er sich an seinen eigenen Kindern. Er staunte darüber, wie sein 7 -Jähriger Sohn Alex bereits E-Mails an den Weihnachtsmann verschickte und sich seine 10 -Jährige Tochter Nicole wie selbstverständlich in Chatrooms bewegte. Diese Beobachtungen machte Tapscott nach eigenen Angaben schon 1993 und entwickelte daraus schlieÃlich seine Idee der » world-changing net generation « , der weltverändernden Netz-Generation.
Dass die Kinder eines Unternehmensberaters und Management-Professors, der schon Anfang der 1990 er Jahre einen Apple-Computer mit Internetzugang zu Hause stehen hatte, ziemlich privilegiert sein könnten, war ihm wohl nicht in den Sinn gekommen. Dabei hatten 1998 in den USA nur 36 Prozent aller privaten Haushalte einen Internetzugang. In Deutschland waren es sogar nur acht Prozent. » Es wird eine Ideologie und das Wissen einer Elite kommuniziert « , schreibt der Soziologe Christian Stegbauer über Tapscotts Thesen, » ohne dass es sich ausgewiesenermaÃen um eine Elitestudie handelt. «
Als Elitestudie verstanden, werden Tapscotts Erkenntnisse wieder interessant. Sie zeigen, wie die privilegierte Situation eines Kindesâ in diesem Fall das hohe Einkommen der Eltern und ihre Bereitschaft, dieses Einkommen für internetfähige Computer auszugebenâ direkt in seinen privilegierten Umgang mit der Technik mündet. Dieser Mechanismus wirkt auch in Deutschland nach und hat das Potenzial, die Verteilung von Bildungschancen hierzulande noch weiter zu verschlechtern.
Wie Bildung die Internetnutzung beeinflusst
Die aktuellsten Zahlen dazu liefert die Studie » Jugend, Information, (Multi-)Media « (kurz: JIM) des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest. Für die JIM-Studie werden jährlich über 1000 Jugendliche befragt. Die Studie wird seit 1998 durchgeführt und gilt als die verlässlichste Quelle zur Mediennutzung von Jugendlichen.
Demnach gibt es 2010 keine nennenswerten Unterschiede mehr beim reinen Internetzugang: 98 Prozent aller Schüler sind online, unabhängig von ihrem Bildungsstand. Lediglich bei der Frage, ob Jugendliche einen eigenen Computer besitzen, zeigen sich Differenzen. Rund 80 Prozent der Realschüler und Gymnasiasten haben einen eigenen PC, 52 bzw. 54 Prozent können damit auch ins Internet. Von den Hauptschülern haben nur 70 Prozent einen eigenen Computer und können damit zu 46 Prozent online gehen.
Deutlich gröÃere Unterschiede zeichnen sich aber beim Zugang zu anderen Medien ab: Während die Haushalte, in denen Gymnasiasten* leben, zu 69 Prozent über ein Tageszeitungs-Abo bzw. zu 53 Prozent über ein Zeitschriften-Abo verfügen, liegen diese Zahlen bei Hauptschülern bei 46 Prozent bzw. 36 Prozent. Allein bei Spielkonsolen und Abo-Fernsehen hängen die Haushalte mit Haupt- und Realschülern die Gymnasiasten in Sachen Ausstattung ab.
* Die Einteilung in Gymnasium, Haupt- und Realschule wird hier der Einheitlichkeit halber beibehalten, obwohl es in vielen Bundesländern mittlerweile andere Bezeichnungen und Zusammenlegungen gibt.
Entsprechend fächern sich auch die Nutzungsmuster zwischen den verschiedenen Schultypen auf: Laut JIM-Studie nutzen Jugendliche mit einem höheren Bildungsgrad häufiger das Internet, Tageszeitungen, MP3-Player und
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