Sie nennen es Leben
sind); institutionalisiertem Kapital (vor allem Bildungsabschlüsse wie Abitur oder Diplom, die von Institutionen verliehen und anerkannt werden) sowie inkorporiertem Kapital (Wissen und Fertigkeiten wie beispielsweise Umgangsformen, die man jenseits von Schule und Ausbildung gelernt und verinnerlicht hat).
Wenn wir nun ein kulturelles Werk wie einen Film beurteilen, geben wir indirekt darüber Auskunft, welches Kapital uns in welchem Umfang zur Verfügung steht. Grob vereinfacht wäre das für das Beispiel Film: wie viel Geld wir zur Verfügung haben, um regelmäÃig ins Kino zu gehen und damit auf dem neuesten Stand zu sein (ökonomisches Kapital); welche Experten wir kennen, die uns erklärt haben, warum dieser Film besonders relevant oder besonders dämlich ist (soziales Kapital); und welche Referenzen wir sonst noch aufweisen könnenâ auf welche DVD-Sammlung wir uns stützen können, welches Germanistik-Seminar zur Buchvorlage wir belegt haben und welche Wortwahl wir gebrauchen, um auch sicherzugehen, dass unser Gegenüber von unserer Kritik beeindruckt ist (kulturelles Kapital).
Ãhnlich umfangreiche Informationen erhalten wir auch, wenn wir erfahren, wie jemand das Internet nutzt. Um diese Informationen zu decodieren, braucht es allerdings einige Ergänzungen und Aktualisierungen von Bourdieus Kapitalbegriff. Die sinnvollsten hat der englische Soziologe Neil Selwyn vorgenommen. Bei ihm bedeutet ökonomisches Kapital die materielle Ausstattung mit und die Qualität von Hard- und Software. Bourdieus Begriff des kulturellen Kapitals ergänzt er um die Zeit, die man zur Verfügung hat, um sich mit Computer und Internet zu befassen und dabei seine Fähigkeiten zu erweitern. Diese Zeit kann sowohl zu Hause als auch unter Freunden und in der Schule oder in speziellen Kursen verbracht werden. Unter sozialem Kapital versteht er schlieÃlich die sozialen Kontakte, die die Internetnutzung begleiten und durch die man Rat und Unterstützung erhält. Dies können sowohl Familienangehörige und Freunde als auch Lehrer oder Online-Kontakte wie Forenmitglieder sein.
Ãberträgt man Selwyns Kapital-Model auf deutsche Schüler, fällt zunächst auf, dass das ökonomische Kapital eine untergeordnete Rolle spieltâ schlieÃlich haben fast alle ungehinderten Zugang zum Internet. Das gröÃte Gefälle herrscht bei der Ausstattung mit Smartphones oder elektronischen Spielereien wie dem iPod touch. Entscheidender sind in jedem Fall die Unterschiede hinsichtlich des sozialen und kulturellen Kapitals. Schüler mit niedrigerem Bildungsgrad haben nicht die Fülle an Medien wie Zeitschriften oder Zeitungen zu Hause, die etwa ihre Altersgenossen mit höherem Bildungsgrad gewohnt sind.
Zudem haben Haupt- und Realschüler auch keine ähnlich nützlichen Kontakte wie Gymnasiasten. Das beginnt schon bei den Eltern. Sie sind für Jüngere die wichtigsten Ansprechpartner bei Fragen zum Internet. Je gebildeter die Eltern sind, desto besser können sie ihre Kinder beraten. Ihr Einfluss wird in den kommenden Jahren wohl noch steigen, denn das Alter, in dem Kinder online gehen, sinkt beständig.
In der Schule setzt sich die Bevorteilung von Kindern aus bildungsnahen Familien fort. Da das deutsche Bildungssystem die Schüler strikt nach Schultyp trennt, kommt es kaum zu einer Durchmischung. Je nach Schule bleiben die Kinder und Jugendlichen unter sichâ und verstärken die jeweils schulspezifischen Nutzungsmuster: Wenn Gymnasiasten unter Gymnasiasten bleiben, verfügen sie nämlich über eine Bezugsgruppe, die ihnen lauter Vorteile bringt. Sie sind umgeben von Leuten, die gezielt recherchieren und souverän mit der Vielfalt des Internets umgehen können. Bei Fragen und Problemen mit dem Internet steht ihnen also eine Art Expertenkreis zur Verfügung, der ihnen in den meisten Fällen weiterhelfen kann.
Dieser Expertenkreis ist umso wichtiger, als sich Jugendliche an niemandem so sehr orientieren wie an ihren gleichrangigen Altersgenossen, den » Peers « . Sie geben den Ton an und bestimmen, was man wissen sollte und was nicht. Der Einfluss von Eltern und Lehrern ist dagegen nur nachrangig. Die gleiche Tendenz zeigt sich auch unter Schülern mit niedrigerem Bildungsgradâ nur mit umgekehrtem Vorzeichen. Ihre Peers können ihnen bei Fragen und Problemen mit dem Netz nicht so gut weiterhelfen wie das gymnasiale
Weitere Kostenlose Bücher