Sie nennen es Leben
anderer zu verhindern, wenn damit ihr eigener Abstieg verbunden wäre. So lieÃe sich erklären, warum Jugendliche untereinander oft grausam und missgünstig erscheinen, zumindest in den Augen von Erwachsenen: Sie machen andere herunter, um ihren Status zu wahren.
Zusammengefasst sind für das System der Statusbeziehungen folgende Informationen entscheidend: Welchen Status habe ich und welchen haben meine Freunde? Mit wem verkehren meine Freunde? Was ist modisch und popkulturell gerade angesagt? Genau diese Informationen liefern Social Networks.
Sozialer Status und Social Networks
Chiara interessiert sich sehr für Mode. Ihre hellblonden Haare trägt sie halblang, die engen schwarzen Jeans kombiniert sie mit hochhackigen Stiefeln. Das Internet nutzt die 14 -Jährige vor allem, um sich Musik auf YouTube anzuhören und sich über die neuen Angebote der Modeketten H&M und Pimkie zu informieren. Ansonsten ist Chiara viel auf SchülerVZ. Dort hat sie über 400 Freunde. Rund 100 davon kennt sie persönlich nichtâ meist haben ihr einfach die Profilfotos gefallen und sie hat die fremden User deshalb als Freunde hinzugefügt. » Ich glaube nicht, dass da was passieren kann « , sagt Chiara. » Auf SchülerVZ sind doch nur Jugendliche. « Sie hat deshalb auch nicht die Einsicht in ihr User-Profil eingeschränkt. Von ihren Online-Freunden kann jeder sehen, was die Realschülerin auf ihrer Seite auflistet. Dazu gehören auch die Einträge auf der Pinnwand, der frei beschreibbaren Fläche auf dem Profil. » Pinn-Einträge sind mir wichtig « , sagt Chiara. » Damit schreibe ich meinen Freunden Nachrichten oder wir verabreden uns. «
Anderen zeigen, wen man kennt, was man macht und was man magâ Social Networks sind dafür perfekt geeignet. Alle Informationen, die man für Statusverhandlungen braucht, lassen sich hier finden und verbreiten. Wie Chiara nutzen viele die » Pinn « auf SchülerVZ oder Facebook: Statt sich eine persönliche Nachricht zu schreiben oder zu chatten, leben die Jugendlichen ihre Freundschaften und Verbindungen innerhalb ihrer Peer-Group öffentlich aus.
Auch nicht zufällig hat die Funktion des » status update « , der Statusmeldung, Facebook berühmt gemacht. » Was machst du gerade? « ist die Frage, die Facebook seinen Usern beim Ãffnen ihrer Profile stellt. Die Antwort darauf bildet die Statusmeldung. Sie ist je nach Einstellung für einen ausgewählten Kreis an Personen sichtbar und kann beliebig oft aktualisiert werden. So können » facebook friends « verfolgen, wo sich die anderen gerade aufhalten und was sie machen. Im » newsfeed « , dem Ãberblick über die Statusmeldungen der Freunde, wird auÃerdem vermerkt, wer nun mit wem » befreundet « istâ so kann man sich schnell und mühelos Orientierung verschaffen, was im Freundeskreis passiert.
Für Eltern und Erwachsene sind diese Informationen nutzlos, für die Jugendlichen jedoch essenziell. Social Networks bilden eine direkte Erweiterung ihres Offline-Alltags. Was sie nicht während der Schulzeit besprechen können, holen sie auf SchülerVZ oder Facebook nach. Die Netzwerke kommen ihrem Bedürfnis nach Austausch und Orientierung innerhalb ihrer Peer-Group nach und bieten dafür einen Raum an, der jenseits der Kontrolle von Eltern und Erwachsenen liegt.
Im Idealfall übernimmt das Internet damit die Funktion, die die StraÃe in den Nachkriegsjahren hatte: nämlich » Ort der Aufregung, des Abwechslungsreichtums, der Eindrucksvielfalt, des Kontakts, der Kreativität und Gestaltung, des Handelns, ein Ort der sozialen Nähe und Erfahrung « zu sein. Eltern sollten Social Networks deshalb mit weniger Skepsis entgegentreten, als sie vielleicht für nötig halten. Im Gegenteil: Für ihre Entwicklung ist der Freiraum, den die neuen Medien Jugendlichen bieten, sehr wichtig. So erobern sie sich online einen Teil der Freiheit zurück, die sie in den vergangenen Jahrzehnten auÃerhalb von zu Hause verloren haben. Die alltäglich enge Realität von Jugendlichenâ im Netz wird sie zumindest ein bisschen erweitert.
Jugendliche fallen Facebook oder SchülerVZ nicht zum Opfer. Sie verbringen zwar sehr viel Zeit auf den Seiten, doch das bedeutet nicht, dass sie den Verlockungen der Social Networks schlechter widerstehen könnten als Erwachsene: Sie entsprechen nur stärker
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