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Sie nennen es Leben

Titel: Sie nennen es Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Pilarczyk
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Umfeld und lassen sie unter Umständen ratlos zurück.
    Der Erziehungswissenschaftler Holger Ziegler hat ein einfaches Beispiel dafür, wie diese Dynamik funktioniert. Er nimmt als Ausgangspunkt zwei Schüler, die gemeinsam für eine Klassenarbeit in Mathematik lernen, und entwirft drei Szenarien.
    Im ersten Szenario lernen die beiden besten Schüler in Mathe zusammen. Die Chance, sich zu verbessern, ist für beide groß, da ein hoher Austausch an Informationen erwartet werden kann. Beispielsweise können sie ihre Kenntnisse in Analysis 2 gegenseitig verbessern.
    Im zweiten Szenario lernen der beste und der schlechteste Schüler zusammen. Die Chance, sich zu verbessern, ist für den schlechtesten Schüler groß, da er einen kompetenten Lernpartner hat. Für den besten Schüler hingegen ist die Wahrscheinlichkeit, dass er von seinem Mitstreiter, der Schwierigkeiten mit dem Dreisatz hat, unmittelbare Informationen im Bereich Analysis 2 erhält, gering. Wahrscheinlich wäre es für ihn vorteilhafter, allein zu lernen, statt Zeit und Energie darauf zu verwenden, dem anderen die Grundlagen zu vermitteln.
    Im dritten Szenario schließlich lernen die beiden schlechtesten Schüler zusammen. Die Chance, sich zu verbessern, ist für beide klein, da kein hoher Austausch an Informationen erwartet werden kann. Da beide bereits an einem Dreisatz scheitern, ist es unwahrscheinlich, dass sie sich gemeinsam den Bereich der Analysis erarbeiten können.
    Für benachteiligte Schüler bedeutet die Abschottung also vor allem Stillstand. Für privilegierte Schüler ist es hingegen von Vorteil, wenn sie unter sich bleiben. Sie können ihr soziales Kapital passgenau einbringen und im Austausch vermehren. Dass auch Schüler daran mitwirken, die starke Trennung im deutschen Schulsystem aufrechtzuerhalten, kann deshalb nicht überraschen.
    Â»Das ist jetzt nur ein Vorurteil«
    Bis vor einem Jahr durfte Dominik nur eine halbe Stunde am Tag ins Internet. Seine Eltern fanden, dass der heute 14 -Jährige zu viel Zeit mit dem Computer verbrachte. Jetzt darf er unbegrenzt online sein, doch dafür hat der Gymnasiast kaum mehr Zeit: Der Stundenplan des Einserschülers ist vollgepackt, er lernt vier Sprachen. Besonders gut ist er in Naturwissenschaften. In den Sommerferien hat er an einem Roboter gebastelt. Dominik hatte die Aufgabe bekommen, den Roboter so zu programmieren, dass er allein eine Linie entdecken und abfahren konnte. » Das war viel einfacher, als es jetzt vielleicht klingt « , sagt Dominik. Über die Urkunde der Begabtenförderung, die er dafür bekommen hat, zeigt er sich mehr irritiert als stolz.
    Im Internet spielt der Sportbegeisterte das Spiel » Comunio « , bei dem man eine Fußballmannschaft managen muss. Dafür verwendet er aber täglich höchstens zehn Minuten, denn das Spiel ist auf kleinteilige und langfristige Strategieentscheidungen ausgelegt. Vor einem halben Jahr ist Dominik von SchülerVZ zu Facebook gewechselt. » Da kann man mehr Sachen wie Tests oder Spiele machen « , sagt er. Er hat rund 150 Freunde auf Facebook. Andere Social Networks interessieren ihn nicht. » Das ist jetzt nur ein Vorurteil, aber es heißt immer, dass die Asis auf Netlog sind. «
    Was Dominik vorsichtig anspricht, ist eine wenig beachtete Realität im Netz: Social Networks sind nicht austauschbar. Jede Plattform hat ihr eigenes Profil und ihren eigenen Ruf. Deshalb ziehen verschiedene Social Networks auch anderes Publikum an. Welches Publikum das jeweils ist, ist schwierig zu bestimmen, da die Gefahr groß ist, Stereotypen festzuschreiben. Zur groben Orientierung kann man aber sagen, dass SchülerVZ bislang noch das große Auffangbecken für alle Schülerinnen und Schüler bildet. Aber schon Facebook hat ein spezielleres Profil. Weil es aus dem akademischen Umfeld und dem englischsprachigen Raum stammt, hat das Social Network einen vergleichsweise elitären Anstrich. Vor allem Gymnasiasten finden Facebook deshalb attraktiv und betonen, wie wichtig ihnen die internationale Ausrichtung ist.
    Das deutsche Social Network Jappy ist dagegen als eher freizügige Kontaktbörse verrufen. Wer sich dort anmeldet, wird online mit seinem Usernamen sowie Alter und Geschlecht aufgeführt, damit sich Flirtwillige schnell orientieren können. Mit 1 , 9 Millionen Mitgliedern in Deutschland ist Jappy im Vergleich zu den VZ-Netzwerken

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