Sie nennen es Leben
geschäftlichen Social Networks wie Xing oder LinkedIn zeigt. Hier will man gefunden werden, um von neuen Jobs oder Entwicklungen in der Branche zu erfahren. Vor allem gilt das aber fürs Privatleben.
Ein groÃes Netzwerk von Online-Freunden ist in den Nullerjahren zum Statussymbol geworden. Viele Facebook-Freunde signalisieren viel soziales Kapital. Nicht nur unter Jugendlichen ist deshalb der Ehrgeiz groÃ, so viele » friends « wie möglich zu sammeln, auch wenn die Kontakte mehr als flüchtig sind und man sich kaum mehr daran erinnert, wann man sich das letzte Mal gesprochen hat.
Der Trend zur öffentlichen Vernetzung ist vergleichsweise neu. Das erste Online-Netzwerk wurde zwar schon 1997 gegründet und hieà » Sixdegrees.com « , benannt nach der Theorie, dass jeder Mensch auf der Erde mit jedem anderen Menschen über maximal sechs Ecken verbunden ist. Der massentaugliche Durchbruch gelang aber erst Friendster, einer 2002 in den USA gegründeten Plattform, die als erstes Social Network mehr als eine Million Mitglieder erreichte. Als Partnerbörse konzipiert, war Friendster daran gelegen, dass seine User möglichst genaue und verlässliche Informationen über sich bereitstellen. Damit sollten böse Ãberraschungen beim ersten Date vermieden werden.
Doch die Rigidität, mit der Friendster seine Vorstellungen vom korrekten Profil durchsetzte, missfiel vielen Usern. Als ein Jahr später MySpace auf den Plan trat, fand ein regelrechter Exodus von Friendster statt: MySpace hatte sich zwar viele Dating-Features von Friendster abgeschaut, bot aber mehr kreative Freiheit. User konnten ihre Profile mit selbst gewählten Hintergründen verzieren und Audio- und Videodateien integrieren. Entscheidender für den Erfolg von MySpace aber war, dass sich hier Profile unter Künstlernamen sowie für Institutionen und vor allem für Bands anlegen lieÃen. In Deutschland wurde MySpace deshalb vor allem als Plattform für neue Musik statt als Social Network bekannt. Gleichzeitig machten es Pseudonyme schwerer, einzelne Personen auf MySpace zu finden.
In diese Lücke stieà das 2004 gegründete Netzwerk Facebook, das mittlerweile weltgröÃte Social Network mit über 500 Millionen Mitgliedern. Dessen Erfolgsgeschichte begann bezeichnenderweise damit, dass sich Gründer Mark Zuckerberg in die Daten seiner Kommilitonen an der Harvard University hackte.
An Zuckerbergs weiterführender Schule war es üblich gewesen, den Schülern zu Beginn des neuen Schuljahres Hefter mit Fotos ihrer Klassenkameraden zu überreichen. Diese » facebooks « sollten dabei helfen, Mitschüler schneller zu finden. Um für Harvard ein ähnliches Angebot zu schaffen, hackte sich Zuckerberg in seinem zweiten College-Jahr in das Studierendenverzeichnis der Uni ein und stellte die dort gespeicherten Fotos anschlieÃend auf einer provisorischen Website namens Facemash onlineâ allerdings im Rahmen eines ziemlich miesen Wettbewerbs: Zuckerberg lieà jeweils zwei zufällig ausgewählte Fotos nebeneinander erscheinen, die die User anschlieÃend danach bewerten sollten, welche der gezeigten Personen sie » hotter « , also attraktiver, fänden.
Der Legende nach erreichte Facemash innerhalb von vier Stunden rund 450 User, die sich über 22 000 Fotos anschautenâ danach soll Harvard Zuckerbergs Internetverbindung gekappt haben.
Die Idee, im Internet mit seinem echten Namen vertreten und auffindbar zu sein, blieb aber und bildet bis heute die Grundlage des Erfolgs von Facebook: Um hier Freunde, Verwandte, Mitschüler und ehemalige Kollegen zu finden, muss man kein Insiderwissen haben. Ein einziger Klarname reicht, um den Einstieg in das gröÃte Netzwerk der Welt zu finden, das auch heute noch stetig wächst.
»Ich würde auch über meinen Penis bloggen«
Die Bereitschaft, mit seinem echten Namen im Netz aufzutauchen, hängt aber noch mit einer anderen Entwicklung zusammen. » Die Tyrannei der Intimität « hat sie der US-Soziologe Richard Sennett in seinem Klassiker » Verfall und Ende des öffentlichen Lebens « genannt. Schon in den 1970 er Jahren hat er analysiert, wie sich menschliche Beziehungen verändern, wenn die Offenlegung intimer Gefühle und Regungen zur Regel wird. Beziehungen würden demnach immer mehr zu Tauschgeschäften mit Enthüllungen. Wer etwas Intimes von sich preisgibt, begeht
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