Sie nennen es Leben
für die Mitschüler, Email für den Lehrer: Hier bewahrheitet sich Marshall McLuhans fast sprichwörtliche Erkenntnis » The medium is the message « . Welches Medium gewählt wird, sagt auch etwas über die Verbindung zwischen den jeweiligen Kommunikationspartnern aus.
Für Jugendliche, die einen wichtigen Teil ihres Soziallebens im Netz verhandeln, bedeutet dies eine weitere Verkomplizierung. SchlieÃlich senden sie nicht nur eine Botschaft mit dem, was sie schreiben, sondern auch dadurch, über welches Medium sie dies tun. Die Folge ist etwas, das der Ethnologe Christo Sims » kontrollierte Beiläufigkeit « nennt. Gerade am Anfang von Freundschaften, besonders aber von Liebesbeziehungen, ist die Frage, wie verbindlich man sich dem anderen gegenüber verhält, äuÃerst schwierig. Ist eine SMS zu intim? Wie lange darf man mit dem Beantworten einer Facebook-Nachricht warten?
Um eindeutige Antworten auf solche Fragen zu umgehen, wenden Teenager das Prinzip der kontrollierten Beiläufigkeit an: Sie benutzen Abkürzungen wie » lol « oder schreiben sich statt einer privaten Nachricht Nichtssagendes auf die » Pinn « . Das Interesse am anderen, das man mit der Kontaktaufnahme zweifellos signalisiert, wird so durch die Sprache und den Veröffentlichungsort relativiert. Indem Teenager solche uneindeutigen Nachrichten schicken, sichern sie sich auch davor ab, online zurückgewiesen zu werdenâ schlieÃlich haben sie ja keine Ansage gemacht, was genau sie vom anderen erwarten.
E-Mail, IM oder SMS? Digitale Medien stellen Jugendliche vor Herausforderungen, die sie nur mit einer groÃen Portion sozialem Feingefühl lösen können.
Social Networks sind weniger dynamisch und offen als gedacht. Teenager nutzen sie in der Mehrzahl, um bereits bestehende Kontakte zu pflegen und zu intensivieren. Wie Erwachsene beurteilen Jugendliche die reine Internet-Bekanntschaft skeptisch bis feindselig. Grenzüberschreitende Begegnungen â seien sie sozial, kulturell oder geografisch â bilden die Ausnahme. Dass Jugendliche im Netz vor allem sie selbst sein wollen, beeinflusst auch, was sie von sich selbst dort preisgeben. Viel zu viel!, sagen die Kritiker. Dabei stellt das Internet alle User vor die Frage, was Privatsphäre heute noch bedeutet.
5. Privatsphäre 2.0 â Was Jugendliche von sich im Internet verraten
Vor kurzem hat sich Juliane mit einer Freundin von ihrer ehemaligen Schule die Facebook-Seite einer Biologielehrerin angesehen. » Die hatte voll peinliche Bilder von sich auf der Seite, wie sie im Wald Pilze sammelt « , sagt Juliane. Bis vor einem halben Jahr war sie auf SchülerVZ. Als sie dort von einem Unbekannten mit den Worten » Hey, süÃe Maus « angeschrieben wurde, meldete sie den User bei SchülerVZ. Ob er verwarnt oder gesperrt wurde, hat sie nicht mehr abgewartet. Sie ist in der Folge zu Facebook gewechselt. Dabei hat eine Freundin gute Erfahrungen mit der Meldefunktion bei SchülerVZ gemacht. Unangenehme Fotos von ihr, die ein Bekannter eingestellt hatte, wurden von dem Netzwerk ohne groÃe Umschweife gelöscht.
Juliane findet Facebook trotzdem besser. » Da findet man seine Freunde schneller und kann mehr Tests machen und Spiele spielen. « Dass sie dort über 250 Freunde hat, erklärt die 16 -Jährige damit, dass die Schüler aus den unteren Stufen sofort alle anderen Schüler derselben Schule, die auch auf Facebook sind, als Freunde hinzufügen. Sie selber akzeptiert nur die, die sie auch kennt. Ihre Mutter hat sie davor gewarnt, Fotos von sich im Bikini oder mit einem Bier in der Hand im Internet hochzuladen. Auch wenn Juliane jetzt täglich ein bis zwei Stunden auf Facebook ist, war sie am Anfang nicht sehr begeistert von dem Netzwerk. » Ich fand es zu kompliziert « , sagt sie. » Vor allem habe ich nicht verstanden: Warum posten Leute, dass sie jetzt essen? «
Jugendliche im Web 2 . 0 gelten als besonders exhibitionistisch. Unter dem Titel » Nackt unter Freunden « zog der » Spiegel « im März 2009 über Social-Network-User her: » Wohl nirgendwo sind so viel herzhafte Peinlichkeit und fröhliche EntblöÃung zu finden wie in den sozialen Netzwerken des Internet. Die SpaÃvögel sind wie verhext von der Illusion, ganz unter sich zu sein. « Jugendliche sind nach der Deutung des Nachrichtenmagazins besonders auf Selbstinszenierung im
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