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Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Titel: Sie sehen aber gar nicht gut aus! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Strzoda
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und koordiniert der Disponent parallel die Rettungsdienstfahrzeuge. Wenn ein Patient aufgrund der Schwere seiner Erkrankung dem Krankenhauspersonal vorab angekündigt werden muss, übernimmt der Telefonist auch diesen Part.
    Eine grundsätzliche Anforderung war damals meine Qualifikation als Rettungsassistent. Klar – ich musste ja irgendwie in der Lage sein, eine Notfallsituation zu erkennen und zu entscheiden, welche Art von Hilfe in dem jeweiligen Fall benötigt wurde. An einen Notruf kann ich mich noch sehr gut erinnern: Der Anrufer befand sich, nachdem er in einen schweren Verkehrsunfall verwickelt worden war, auf einer Straße. Mir läuft es jetzt noch eiskalt den Rücken herunter, wenn ich an die panische Atmosphäre dieses Notrufeingangs denke – an das Rauschen im Hintergrund, an die laufenden Motoren und die erschütternden Hilfeschreie der Menschen.
    »Rettungsleitstelle.«
    »Mein Name ist Reger. Schnell – wir brauchen Hilfe. Wir hatten einen Unfall.«
    »Wo genau befinden Sie sich, Herr Reger?«
    »Ich weiß nicht – irgendwo auf einer Landstraße.«
    »Von woher kommen Sie?«
    »Aus Mühlendorf. Wir wollten nach Eppstein.«
    »Dann müssten Sie sich auf der Bundesstraße 593 befinden. Beruhigen Sie sich ...«
    »Meine Frau blutet stark. Sie hat eine Verletzung am Hals und bewegt sich nicht«, presste der Anrufer mit sich überschlagender Stimme heraus.
    Stellen Sie sich vor, Sie werden plötzlich in einen Unfall verwickelt, Ihr Partner ist schwer verletzt und antwortet Ihnen nicht mehr. Dabei verliert er so viel Blut, wie Sie es normalerweise nur aus Filmen kennen. Ihr gemeinsames Leben nähert sich rapide einem dramatischen Ende. So hatten Sie Ihre Heimfahrt sicher nicht geplant. Rationales Handeln ist hier fast unmöglich.
    »Herr Reger, welche Ausfahrt war die letzte, an der Sie vorbeigefahren sind?«
    »Ich weiß es nicht. Ich glaube, es war die Ausfahrt nach Bütteldorf.«
    »Wie viele Fahrzeuge sind sonst noch in den Unfall verwickelt?«
    »Drei. Jemand kam mir auf meiner Seite entgegen. Wir sind zusammengestoßen. Ich blute auch.«
    »Und dann?«
    »Ich weiß es nicht. Ich konnte nicht bremsen. Hier sind noch drei zerstörte Autos. Der eine Fahrer rührt sich nicht.«
    Ich vermutete, dass direkt nach dem Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge zwei weitere Autos aus dem nachfolgenden Verkehr in die Unfallstelle gekracht waren. Während ich als Telefonist noch mit dem Anrufer sprach, schickte der Disponent am Funktisch bereits mehrere Rettungswagen, Notärzte und zwei Helikopter zur Einsatzstelle.
    »Geben Sie mir die Rufnummer des Handys, von dem aus Sie gerade sprechen.«
    »0198. Dann: 564 ... 58 ... 43.«
    »Der Rettungsdienst und mehrere Hubschrauber sind bereits unterwegs. Versuchen Sie, die Blutung Ihrer Frau abzudrücken.«
    »Ich weiß nicht, wie.«
    »Das ist sehr schlecht«, dachte ich. Wenn es eine arterielle Verletzung war, dann würde diese nach kürzester Zeit zum Tod führen. Der erste Rettungswagen benötigte mindestens zehn Minuten zur Einsatzstelle. Das war zu lang, um zu überleben.
    »Nehmen Sie ein Handtuch, ein T-Shirt oder was auch immer Sie haben.«
    »Margot ... Margot! Meine Frau bewegt sich nicht. Schnell ... bitte ...«
    »Ist sie ansprechbar?«
    Dann war nur noch das Rauschen der Leitung zu hören. Herr Reger war nicht mehr erreichbar – vermutlich hatte der Akku seines Mobiltelefons den Geist aufgegeben. Ich erfuhr später, dass die Frau bereits tot gewesen war, als Herr Reger bei uns angerufen hatte. Scharfkantiges Blech hatte eine Arterie im Halsbereich verletzt. Frau Reger war verblutet. Auch der bewusstlose Fahrer des Fahrzeugs, das den Regers entgegengekommen war, hatte schlechte Karten gehabt. Die Lagemeldung des ersten Rettungswagens war dementsprechend desillusionierend. Zwei Menschen waren tot, zwei waren schwer verletzt. Lediglich Herr Reger und ein weiterer Fahrer hatten nur mittelschwere Verletzungen.
    Natürlich verliefen nicht alle Gespräche in der Leitstelle so ernst und traurig wie das oben dargestellte. Es kam durchaus vor, dass Anrufer versehentlich in der Leitstelle herauskamen – sei es durch Verwechseln der Rufnummer oder durch das Drücken der falschen Kurzwahltaste.
    »Rettungsleitstelle.« Rauschen. »Hallo?«
    »Hier ist die Oma. Die Oma ...«
    »Und hier ist der Rettungsdienstnotruf …«
    »Wie?«
    »Hier ist die Rettungs-leit-stelle. Notarzt, Rettungsdienst, Hubschrauber, Rettungswagen, Krankenwagen ...«
    »Ich möchte die Emma

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